Der Fünferl-Verein im "Flö-Lö"

1915
Mitglieder der Stammtischgesellschaft des Fünferl-Vereins im Flötzinger-Löchl, 1915

Die Stammtischgesellschaft Fünferl-Verein steht für eine Art bürgerliche Vergnügung, die es heute nicht mehr gibt. Das „Flö-Lö", das Flötzinger-Löchl, war der alte Flötzinger-Bierkeller, der nach dem Bau einer neuen, größeren Kelleranlage in den 1870er Jahren als ganzjährige Gaststätte geführt wurde. Um 1890 wurde das Lokal Treffpunkt einer regelmäßigen Stammtischgesellschaft. Zum Dämmerschoppen traf sich hier eine Gruppe von Herren um den hinteren von zwei runden wurmstichigen Tischen. Zu dem Stammtisch gehörten Bahn- und Postbeamte, Lehrer und Geschäftsleute, Ärzte und Apotheker, aber auch Studenten und Feriengäste. Der Stammtisch wurde originellerweise als „B.T.A.D.E." bezeichnet, was „Bierehrlichster Tisch auf der Erde" bedeutete.
Im Mittelpunkt stand der junge Postbeamte Michl Kaempfel, der als „Centralpräsident" des 1903 von der Stammtischgesellschaft gegründeten Fünferl-Vereins fungierte. Der Name Fünferl-Verein leitete sich von dem Beitrag pro Monat ab, der ein Fünferl betrug. Daneben gab es noch außerordentliche Spenden in die Tischkasse, die für notwendige Anschaffungen der Stammtischgesellschaft, wie französischen Senf und die wöchentliche Ausgabe der Satirezeitschrift Simplicissimus, benötigt wurden. Mit dem Überschuss wurde an Weihnachten armen Leuten eine Freude gemacht; auch wurden Kommunionkinder eingekleidet. Die Mitgliederzahl stieg von Jahr zu Jahr: Waren es bei der Gründung ein paar Dutzend, so betrug die Mitgliederzahl 1909 schon 239 und stieg 1916 auf 413 Mitglieder. Nach 10-jähriger Mitgliedschaft wurde jedem Jubilar ein schönes Bierkrügl überreicht; von da an galt er als vollgültiges Mitglied. Die Stammtischgesellschaft sah ihren Zweck aber nicht nur im Biergenuss und im Austausch von Neuigkeiten. Es wurden Lieder gesungen, Witze und Verse vorgetragen. Seit 1895 wurden im Flötzinger Löchl Herrenabende mit buntem Programm veranstaltet, außerdem unternahm man Ausflüge in die nahe Bergwelt vor allem zum Brünnstein, den Kaempfel als Lieblingsberg insgesamt 798 Mal bestieg.
Ab 1907 wurde das Vereinsgeschehen in einer Chronik, dem „Goldenen Buch des B.T.A.D.E." von Kaempfel akribisch notiert. Mit Rückblicken bis 1893 berichtet die Vereinschronik in drei Bänden bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 vom Vereinsleben des Fünferl-Vereins.

Text: Ingeborg Armbrüster
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2006/8

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