Unter den Bögen in der Heilig-Geist-Straße, 1907

1907
Unter den Bögen in der Heilig-Geist-Straße, 1907

„Die Lauben bilden offene Bogengänge an der Straßenseite des Erdgeschosses, deren Gewölbe gegen die Straße auf Säulen oder Pfeilern ruhen. Meist zeigen die Lauben noch spätgotische oder Frührenaissanceformen, es finden sich Spitzbögen und Rundbögen.“ Mit diesen Worten beschreibt der aus Rosenheim stammende Architekt Emil Schweighart in seiner 1919 fertig gestellten Doktorarbeit „Das bayerische Innstadthaus“ die für seine Heimatstadt so typischen Laubengänge. Diese Gänge, die von Haus zu Haus durch offene Bögen miteinander verbunden sind und sich zur Straße hin durch Arkaden öffnen, sind eine Besonderheit der Handelsstädte am Inn. In ähnlicher Form kommen sie jedoch auch in einigen anderen europäischen Regionen vor. Die Lauben ermöglichten es dem Kaufmann oder Handwerker, Waren geschützt vor starker Sonneneinstrahlung, Regen oder Schnee auszustellen und bei Tageslicht begutachten zu lassen.
Ungeklärt ist die genaue zeitliche Entstehung der Laubengänge in den Innstädten. Vermutlich stammen sie aus dem 14., 15. oder 16. Jahrhundert und hängen mit der Verbreitung des Massivbaus in den Städten zusammen. Auf einfache Holzbauten folgten damals – oft als Folge von Brandkatastrophen – die ersten vollständig gemauerten Bürgerhäuser mit einem Laubengang im Erdgeschoss. Für Rosenheim ist aus dem Jahr 1469 ein schwerer Brand überliefert. Weil in Zusammenhang mit dem Wiederaufbau ein vom Markt angestellter Ziegelmeister erwähnt wird, kann dies als Beleg für tiefgreifende bauliche Veränderungen gesehen werden. Weitere schwere Brände folgten 1542 und 1641.
Noch heute besitzt der Max-Josefs-Platz fast durchgehend Laubengänge, zu einem wesentlichen Teil auch die Heilig-Geist-Straße, die einstige Marktgasse. Am Ludwigsplatz kommen sie nur an der Ostseite durchgehend sowie am Haus Nr. 19 vor. An der Kaiserstraße besitzen nur die Häuser Nr. 3 und 5 einen Laubengang. Im Gegensatz zu Wasserburg oder Mühldorf sind die Gänge in Rosenheim deutlich schmäler, weil sie nicht noch die mit Falltüren verschlossenen Kellertreppen aufnehmen mussten. In Rosenheim verfügten die Bürgerhäuser wegen des schlechten Untergrunds meist nur über einen einzelnen oder gar keinen Kellerraum.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2018/12

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