Die Rosenheimer Volksküche im Mail-Keller, um 1917

um 1917
Die Rosenheimer Volksküche im Mail-Keller, um 1917

Schon im November 1914, wenige Monate nach Beginn des Ersten Weltkriegs, debattierten die Rosenheimer Gemeindebevollmächtigten über die Einrichtung einer Volksküche. Nach dem Wunsch einiger Kommunalpolitiker sollte die für die Familien der Kriegsteilnehmer eingerichtete Ausspeisung auf weitere Bevölkerungskreise ausgedehnt werden. Mehrheitlich sahen die Gemeindebevollmächtigten aber eine solche Einrichtung als Konkurrenz für die örtlichen Gastwirte. Diese Haltung änderte sich jedoch mit zunehmender Dauer des Krieges. Die Lebensmittelknappheit und die damit verbundene Teuerung führten zu einer dramatischen Ernährungslage der Zivilbevölkerung. Ein Antrag des  „Arbeitersekretariats Rosenheim-Sterngarten“ führte im Herbst 1916 schließlich zur Einrichtung einer Volksküche im damals nicht betriebenen Gasthaus Mail-Keller, wo bisher bereits der Mittagstisch für die Kriegerfamilien angeboten wurde. Diese Räume wurden nun für die Volksküche erweitert. Die für die Zubereitung der Speisen verantwortliche Köchin sollte Babette Mühlthaler bleiben, der mehrere Küchenmädchen zur Seite standen. Der Stadtmagistrat rief die Bürger zu Geldspenden für den Betrieb der Volksküche auf Auch konnte man Gutscheinhefte erwerben und diese selbst an Bedürftige weitergeben.
Am 15. Oktober 1916 kündigte der Rosenheimer Magistrat die Eröffnung der Volksküche für den 18. Oktober an. Die Essensabgabe sollte künftig zwischen 11 und 13 Uhr erfolgen, wobei man sowohl vor Ort essen als auch die Speisen „über die Straße“ mitnehmen konnte. Die Brotkarte musste stets vorgezeigt werden. Zwei Speisefolgen standen in der Volksküche zur Auswahl: Für Suppe und Gemüse, Fastenspeise oder Voressen zahlte man 30 Pfennig, für Suppe, Fleisch und Gemüse 60 Pfennig. Die Familien von Soldaten hatten jeweils nur die Hälfte zu zahlen. Personen, die von der Stadtgemeinde Armenunterstützung erhielten, bekamen den fleischlosen Mittagstisch gegen bestimmte Auflagen. Mit den in der Küche vorhandenen Kesseln konnten täglich bis zu 900 Essensportionen ausgegeben werden.
Die Volksküche bestand auch nach dem Ende des Krieges 1918 weiter. Dann ging der Besuch der Einrichtung zunehmend zurück. Sie wurde nun überwiegend nur noch von Auswärtigen besucht und sorgte für ein Defizit in der Stadtkasse.
Daher beschloss der Rosenheimer Stadtrat die Schließung der Volksküche zum 1. September 1920.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2018/11

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