Das Wohnhaus der Familie Böglen in der Frühlingstraße, 1898

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Das Wohnhaus der Familie Böglen in der Frühlingstraße, 1898

Das Kalenderbild zeigt das villenartige Wohnhaus von Rudolf und Anna Böglen nach seiner Fertigstellung Ende 1898. Im Oktober 1897 hatte der Magistrat den Bau des Hauses auf dem schmalen Grundstück zwischen der Frühlingstraße und dem Stadtbach genehmigt. Architekt war Carl Baumann, der als Bauleiter bei der Errichtung des Gillitzer-Blocks mitgewirkt und sich 1897 in Rosenheim niedergelassen hatte. Das Wohnhaus Frühlingstraße 8 gehörte zu seinen ersten Aufträgen. Das Haus umfasste zwei Wohnungen, von denen eine den Hausherren vorbehalten war. Die Fassade gestaltete Architekt Baumann in prächtigem Neubarock, wobei er deutliche Anleihen an dem von ihm im Sommer 1897 umgestalteten Schlösschen Thomas Gillitzers in den Innauen nahm.
Rudolf Böglen stammte aus Regensburg. In den 1870er Jahren war er nach Rosenheim gekommen, um das Gewerbe eines Feilenhauers auszuüben. 1875 heiratete er Anna Winter, die Tochter eines Erdinger Privatiers. Böglen gehörte bald zu den prägendenUnternehmerpersönlichkeiten im Rosenheim der Gründerjahre. Er übte zahlreiche Ehrenämter aus und war in breiten Bevölkerungskreisen überaus geschätzt. So war er Mitglied des Gemeinde-Kollegiums, der protestantischen Kirchenverwaltung, der Freiwilligen Feuerwehr und sang in der Rosenheimer Liedertafel. Böglens besonderes Interesse galt dem Gewerbestand: Er war im Vorstand des Gewerbevereins aktiv, amtierte als  Aufsichtsratsmitglied der Rosenheimer Kreditbank und gehörte dem Ausschuss des Bayerischen Gewerbemuseums an. Bei der großen RosenheimerGewerbe- und Industrieausstellung im Mai 1898 leitete er das Ausstellungskomitee.
Schon im August 1900 starb Rudolf Böglen nach längerer Krankheit im Alter von 50 Jahren. Noch zu Lebzeiten hatte er seinen Betrieb, der zuletzt als „Feilenfabrik“firmierte, an seinen Nachfolger Gustav Bergmann übergeben.
Böglens Witwe Anna lebte bis zu ihrem Tod 1914 im Haus Frühlingstraße 8. Sie vermachte dem Rosenheimer Waisenhaus die für damalige Verhältnisse stattliche Summe von 4000 Mark sowie weitere 1000 Mark zugunsten der städtischen Suppenanstalt.Das Haus in der Frühlingstraße vererbte sie an den Münchner Apotheker Adolf Sölch; später wechselte es mehrfach den Besitzer. 1960 baute man im Erdgeschoss einen Laden ein und 1974 sollte das Haus schließlich vollständig umgebaut werden.Diese Pläne wurden jedoch nicht ausgeführt, so dass das Gebäude wegen seiner herausragenden Gründerzeitfassade 1984 in die Denkmalliste der Stadt Rosenheim eingetragen werden konnte.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2018/8

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