Mitglieder des Radfahrervereins „Windthorst“ in den 1920er Jahren

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Fahren mit dem Fahrrad – Velociped sagte man damals – immer beliebter. Der erste Rosenheimer „Velociped-Club“ war 1884 gegründet worden und 1894 erließ die Stadtverwaltung angesichts des zunehmenden Fahrradverkehrs sogar eigene „Ortspolizeiliche Vorschriften, das Fahren mit Velocipeden betreffend“. Um 1890 hatte sich das Niederrad gegenüber dem zuvor verbreiteten Hochrad durchgesetzt.

Nach dem Ersten Weltkrieg avancierte das Fahrrad zum Massenverkehrsmittel. Gleichzeitig förderte die zunehmende Sportbegeisterung die Entstehung von Radfahrvereinen. Das Rosenheimer Adressbuch von 1926 listet vier derartige Vereine auf: Die Mitglieder des „Radfahrerbunds ,Solidarität‘“ und die Sektion Fürstätt des „Arbeiter-Radfahrervereins ,Frischauf‘“ stammten überwiegend aus der Arbeiterschicht. Der „Radfahrerverein ,Windthorst‘“ und der „Radfahrerverein ,Concordia‘ Fürstätt“ gehörten als Untergruppen dem „Deutschen Rad- und Motorfahrerverband ,Concordia‘“ an, der den christlichen Gewerkschaften nahestand. Das Vereinswesen hatte sich damals also stark nach sozialen Schichten und politischen Weltanschauungen aufgesplittert.

Vom Rosenheimer Radfahrerverein „Windthorst“ ist belegt, dass er 1910 gegründet wurde und Anfang der 1920er Jahre den Innenhof des ehemaligen Realschulpensionats an der Innstraße als Übungsraum zum „Reigenfahren“ nutzte. Am 31. Juli 1927 trug der Verein erstmals das große „Inn- und Chiemgau-Zuverlässigkeitsfahren“ in Rosenheim aus. Der zweite derartige Wettstreit fand am 1. Juli 1928 statt. Wenige Wochen später, am 12. August 1928, veranstaltete der rührige Verein die „Concordia-Gaumeisterschaft für Südbayern“. Vorstand Georg Wechselberger bat die Stadtverwaltung „im Interesse der Leibesertüchtigung […] um gütige Genehmigung“ dieser Großveranstaltung. Bei der Gaumeisterschaft fuhren die rund 50 Teilnehmer von Rosenheim über Prutting, Halfing und Obing nach Wasserburg und wieder zurück über Rott am Inn nach Rosenheim.

Das Kalenderbild zeigt Mitglieder des Radfahrervereins „Windthorst“ vor dem Katholischen Gesellenhaus am Ludwigsplatz anlässlich eines durch den Verein ausgerichteten Wettfahrens Ende der 1920er Jahre.

Text: Karl Mair (Stadtheimatpfleger)

Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2014/6