Die Sänger des Arbeiter-Liederkranzes, 1905

Mitglieder der freien Gewerkschaft gründeten im Jahr 1904 den Arbeiter-Liederkranz Rosenheim. Leiter des Männerchors war Xaver Roßner, dem es gelang, die zunächst kleine Schar von Sängern innerhalb weniger Jahre zu verdoppeln. Neben seinen Auftritten in Rosenheim sang der Liederkranz beispielsweise bei Maifeiern in Kolbermoor und reiste auf Einladung von anderen Arbeiterchören zu Sängerfesten nach München und Innsbruck. So konnte sich der Chor neben der traditionsreichen, bürgerlichen Rosenheimer „Liedertafel“ etablieren. Am 2. und 3. Juni 1909 feierte der Arbeiter-Liederkranz anlässlich seines fünfjährigen Bestehens ein Stiftungsfest. Die Jubiläumsfeierlichkeiten begannen mit einem großen Konzert im Saubräukeller, bei dem auch die Stadtkapelle unter Leitung von Franz Xaver Berr auftrat. Diese bot, so der „Rosenheimer Anzeiger“, „einen für die Arbeiterschaft sonst durch hohe Eintrittspreise oder geschlossene Gelegenheit selten zu erreichenden Genuß“. Am darauffolgenden Tag ließ man das Fest mit einem Frühschoppen im Kurhotel Bad Aibling ausklingen.
Nach dem Ersten Weltkrieg blühte der Verein rasch auf und zählte in den 1920er Jahren rund 120 Sänger. Als Chorleiter fungierte weiterhin Xaver Roßner und mit Heinrich Geistaller amtierte ein rühriger Vereinsvorstand. Die Aktivitäten des Chores endeten abrupt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die die freien Gewerkschaften zerschlugen. Als Gesangssektion der freien Gewerkschaft in Rosenheim wurde der Arbeiter-Liederkranz somit aufgelöst; das Vereinsvermögen musste abgegeben werden.
1945 formierte sich der Chor neu und konnte im darauffolgenden Jahr ein erstes Konzert in Schloßberg geben. Der langjährige Chorleiter Xaver Roßner starb 1947, worauf ein mehrfacher Dirigentenwechsel folgte. Im Juli 1954 feierte der Arbeiter-Liederkranz unter der Beteiligung von 14 bayerischen und vier Tiroler Gesangsvereinen sein 50jähriges Bestehen. 1975, gut zwei Jahrzehnte später, galt der Arbeiter-Liederkranz mit nur noch acht aktiven Sängern als kleinster Rosenheimer Chor und große Nachwuchssorgen plagten den Verein, der alle 14 Tage im „Mohrenschimmel“ in der Innstraße probte. Wenige Jahre später löste sich der traditionsreiche Chor schließlich auf.

Text: Karl Mair (Stadtheimatpfleger)

Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2016/2