Villen an der Westermayerstraße, 1916

1916
Villen an der Westermayerstraße, 1916

Das Kalenderbild zeigt die Villen an der Westermayerstraße und damit einen der schönsten Straßenzüge Rosenheims aus der Gründerzeit. Der erste Abschnitt der Straße, zwischen Promenadestraße (heute Prinzregentenstraße) und Haustätter Straße (heute Teil der Heilig-Geist-Straße), wurde 1895 angelegt und nach dem in Rosenheim geborenen Geistlichen und Historiker Georg Westermayer benannt. 1910 verlängerte man die Westermayerstraße in Richtung Nordosten, als die Bebauung mit Villen im Heimatstil begann. Die neu errichteten Häuser umfassten jeweils mehrere Etagenwohnungen, waren vom Typ her also keine eigentlichen Villen, sondern vornehme Mietshäuser.
1910/11 entstand das Haus Westermayerstraße 16, ganz rechts im Bild. Bauherr des zweigeschossigen Hauses mit dem hohen Schopfwalmdach war der Briefträger Hubert Rasp; als Architekt fungierte Josef Schrettenseger, Inhaber eines Rosenheimer Bauunternehmens. Das benachbarte Haus Nr. 18 wurde 1912 von dem Rosenheimer Baumeister Leonhard Hell für die Privatiere Klara Dürschl geplant; die eigentliche Bauherrin war ab Baubeginn mit Rosa Niggl eine Verwandte Klara Dürschls. Leonhard Hell gestaltete das Anwesen asymmetrisch mit einem markanten Erkerturm an der südlichen Hausecke. Die Villa Nr. 20 in der Bildmitte ließ der Schutzmann Georg Zacher 1912 wiederum von
Josef Schrettenseger erbauen. Das Haus dominieren zwei dreigeschossige, turmartige Erker mit einem dazwischenliegenden Balkon im ersten Obergeschoss. Prominenter Bewohner des Hauses war einst Eduard Stemplinger, der von 1921 bis 1934 als Direktor des Rosenheimer Gymnasiums amtierte und zudem ein bekannter Schriftsteller war.
Ganz links ist auf der Fotografie noch der Eckerker des Hauses Heilig-Geist-Straße 44 zu erkennen, das 1913 als größtes Haus im Villenviertel zwischen Herbst- und Westermayerstraße erbaut wurde. Architekt Schrettenseger errichtete dieses Haus zunächst auf eigene Rechnung, bevor er es kurz nach seiner Fertigstellung an die Lehrersgattin Maria Lipp veräußerte. Sein erfolgreiches Wirken als Architekt und Bauunternehmer konnte Josef Schrettenseger nach dem
Ersten Weltkrieg leider nicht fortsetzen: Er starb im Juli 1918 als Soldat in Nordfrankreich.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2018/4

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