Schranne auf dem Max-Josefs-Platz, 1903

1903
Schranne auf dem Max-Josefs-Platz, 1903

Bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs fand auf dem Max-Josefs-Platz der wöchentliche Getreidemarkt, die Schranne, statt. Der Getreidehandel erlebte in Rosenheim schon im ausgehenden Mittelalter einen Aufschwung, als Herzog Ludwig  der Reiche dem Markt im Jahr 1478 das Recht der Getreideanschütt verlieh. Dadurch musste das gesamte Getreide, das über den Inn nach Rosenheim kam, hier „angeschüttet“, also ausgeladen und gemessen sowie anschließend zum Kauf angeboten werden. In seinem Bändchen „Rosenheim und dessen Umgegend“ hielt Ludwig Gaßner 1865 fest: „Schranne wird an jedem Donnerstag, und wenn an diesem Tag ein Feiertag fällt, am vorhergehenden Mittwoch in Verbindung mit einem Vieh- und Victualienmarkte […] abgehalten.“ Damals wurden in Rosenheim laut Gaßner jährlich 55.000 bis 60.000 Scheffel Getreide verkauft. Das alte Raummaß Scheffel umfasste in Bayern umgerechnet rund 222 Liter.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging die Bedeutung des Rosenheimer Getreidemarktes allmählich zurück. Zugleich modernisierte man das Marktgeschehen, indem man 1872 eine Waage erwarb und das Getreide seitdem nach Gewicht verkaufte. Um 1880 erwog man die Verlegung derSchranne vom Max-Josefs-Platz in die ehemalige Lokomotivenrotunde und zog auch den Bau einer eigenen Schrannenhalle nach Münchner Vorbild in Erwägung. Laut einem alten Bericht gehörten Ende des 19. Jahrhunderts die großen Mühlen wie die „Aktienkunstmühle“, die Oswald’sche Mittermühle, die Burgermühle und die Finsterwalder’sche Landlmühle zu den größten Getreideaufkäufern. Die Rosenheimer
Bäcker erwarben das Getreide, um es wiederum zum Mahlen an die Mühlen weiterzugeben. Der auf der Schranne angebotene Hafer ging vor allem an die Pferdebesitzer aus Rosenheim und dem Inntal.
Nach der kriegsbedingten Einstellung der Schranne 1914 wurde in den 1920er Jahren vorübergehend wieder ein Getreidemarkt in Rosenheim eingeführt, der jedoch nicht mehr an den regen Handel von einst anknüpfen konnte. Während der Ludwigsplatz seine Bedeutung als Marktplatz auch nach dem Zweiten Weltkrieg behielt, entwickelte sich der Max-Josefs-Platz zunehmend zur Drehscheibe des motorisierten Verkehrs. Im Jahr 1960 hatten allein 17 Omnibuslinien auf dem Platz eine Haltstelle. Erst mit der Eröffnung der Fußgängerzone 1984 wandelte sich das Bild des Max-Josefs-Platz erneut.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2019/4

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