Auf dem Ludwigsplatz im Mai 1906

Mai 1906
Auf dem Ludwigsplatz im Mai 1906

Der Rosenheimer Stadtarchivar Ludwig Eid ließ an zwei Sonntagenim Mai 1906 einige Fotografien anfertigen, die den von zahlreichenMenschen bevölkerten Ludwigsplatz vor oder nach dem Kirchgang zeigen. Eines der Motive verwendete Eid für seinen noch 1906 erschienenen„Stadtführer von Rosenheim“, ein weiteres wurde für dieses Kalenderblattausgewählt. Zu sehen sind Männer, Frauen und Kinder in ihrem festlichenSonntagsstaat. Vorne rechts trägt ein Herr eine „Miesbacher Joppe“, wie sie für die Mitglieder der um 1900 aufkommenden bayerischenTrachtenvereine typisch war. Auf dem Platz sind auch einige Marktstände zu erkennen. Der eigentliche Markttag war damals jedoch der Donnerstag, an dem am Ludwigsplatz der Viktualienmarkt stattfand. Mit Viktualien bezeichnete man einst Lebensmittel, die man für den täglichen Bedarf benötigte. Während der 1807 gegründete Viktualienmarkt in München heute zu den bekanntesten Anziehungspunkten der Stadt zählt, hat sich der Begriff in Rosenheim nicht erhalten. Er wich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dem „Grünen Markt“, der heute noch auf dem Ludwigsplatz stattfindet.
Um 1900 gab es neben dem Viktualienmarkt auf dem Ludwigsplatz noch weitere Märkte in Rosenheim. Neben einigen regelmäßigen Jahrmärkten fand bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs jeden Donnerstag auf dem Max-Josefs-Platz der Getreidemarkt statt und am gleichen Tag trafen sich Bauern und Viehhändler zum Viehmarkt auf der Bayerwiese an der Innstraße.
Die Fotografie des Ludwigsplatzes von 1906 zeigt den südlichen Teil des Platzes, der seine Gestalt erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten hat. Links auf dem Bild geht die Innstraße seit dem Abbruch des Inntors 1865 unmittelbar in den Ludwigsplatz über, die Königstraße, rechts, war bereits bis 1858 als Verbindung zum damaligen Bahnhof angelegt worden. Eine weitere Veränderung erlebte der Platz mit der Erweiterung der Pfarrkirche St. Nikolaus 1880/82 und dem vorangegangenen Abbruch des alten Mesnerhauses. Die beiden Häuser in der Bildmitte waren erst Ende des 19. Jahrhunderts entstanden und schlossen den Platz räumlich nach Süden ab. Als Relikt aus einer anderen Zeit zeigte sich hier das niedrige Häuschen des Schuhmachers Johann Rußwurm, das um 1800 am damaligen Ortsrand erbaut worden war und 1955 einem Neubau weichen musste.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2018/5

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