Die Kunstmühle Rosenheim

um 1930
Die Kunstmühle Rosenheim um 1930

1855, zwei Jahre vor dem Eisenbahnanschluss Rosenheims nahm im Süden des Marktes eine neu errichtete, industriell geprägte Getreidemühle ihren Betrieb auf. Die von einem Seitenkanal des Mangfallkanals angetriebene Mühle firmierte als Aktiengesellschaft. Wegen ihrer modernen, nach amerikanischem Vorbild eingerichteten Produktionstechnik wurde sie als „Kunstmühle“ bezeichnet. 1890 erfolgte eine umfangreiche Erweiterung der Kunstmühle nördlich der drei 1855 fertiggestellten Trakte durch eine große Weizenmühle. Im Jahr 1905 umfasste die gemahlene Getreidemenge bereits 175.000 Zentner. Der Erste Weltkrieg machte schließlich erneut eine Erweiterung der Mühle notwendig. Um größere Getreidevorräte lagern zu können, beschloss die Direktion der Rosenheimer Kunstmühle, westlich an die Weizenmühle ein großes Silogebäude anzubauen.

Geplant und errichtet wurde der Silotrakt durch die Münchner Baufirma Gebrüder Rank. Das Unternehmen war 1862 als kleines Baugeschäft von Josef Rank gegründet worden. 1899 übernahmen dessen Söhne Franz, Josef und Ludwig den Betrieb und bauten ihn zu einer der größten bayerischen Firmen seiner Branche aus. Neben repräsentativen öffentlichen und privaten Bauaufgaben widmete sich die Firma Rank auch der Errichtung von Technik- und Industriebauten. Ein Schwerpunkt waren große Kohle- und Getreidesilos, wobei die Firma als erstes deutsches Unternehmen große Getreidesilos mit Querlüftung entwickelte. Sogenannte „Ranksilos“, ausgeführt in der damals fortschrittlichen Stahlbetonbauweise, erstellten die Gebrüder Rank bald nicht nur für viele süddeutsche Mühlen, sondern auch in anderen europäischen Ländern.

Das Getreidesilo der Rosenheimer Kunstmühle wurde 1916 fertiggestellt. Es umfasste 75 rund 20 Meter hohe Siloschächte, in die über eine Förderanlage das Getreide eingebracht wurde. Über dem hohen ziegelgedeckten Walmdach erhob sich ein markanter Turm, der den Wasserspeicher der Sprinkleranlage enthielt. Mit einer Gesamthöhe von 54 Metern wurde der Silotrakt der Kunstmühle bald zu einem Wahrzeichen von Rosenheim.

Das Kalenderbild zeigt den Blick über den Mangfallkanal auf die Kunstmühle. In Folge der Weltwirtschaftskrise fusionierte die Mühle 1929 mit der Kunstmühle Landshut. Nach der Einstellung des Mahlbetriebs 1974 produzierte man am Standort Rosenheim bis 1990 nur noch Futtermittel. Ab Ende der 1990er Jahre wurden die ehemaligen Mühlengebäude zu Büros und einem Café umgebaut.

Text: Karl Mair
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2013/3

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