Das Rosenheimer Pionierbataillon 7

Am 16. März 1935 verkündete Hitler in einem offenen Bruch des Versailler Vertrags die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht.1) Als Teil der 7. Infanteriedivision war zu dieser Zeit das Pionierbataillon 7 in München stationiert. In. einer Geheimsache des Wehrkreiskommandos VII vom 12. Oktober 1935, die Truppenstandorte betreffend, wurde als endgültiger Standort des Bataillons Rosenheim gewählt. Die bisher in Rosenheim zwischenstationierte Ergänzungskompanie 13 sollte nach Mittenwald verlegt werden.2)
Neben Routinematerial, beispielsweise über die Pferdeberechtigung von Offizieren, finden sich in den erhalten gebliebenen Quellen3) einige allgemeine Hinweise auf militärisches Auftreten in der Öffentlichkeit. Interessant erscheint eine Mitteilung des Wehrmachtsamtes vom 18. März 1935, insbesondere im Hinblick auf die zwei Tage zuvor erfolgte Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht: „Für alle Anfragen nach dem Stande der Wehrmacht hat der Herr Reichswehrminister folgende Sprachregelung angeordnet: ,Es kommt darauf an, bei unseren Nachbarn den Eindruck einer starken Wehrmacht hervorzurufen, die der Verteidigung des Reiches auch unter schwierigen Umständen durchaus gewachsen ist. [...] Bei Fragen nach genaueren Angaben ist ausweichend zu antworten mit dem Hinweis, daß alles noch in Organisation und Aufbau begriffen sei, um den gesetzlich festgelegten Rahmen zu erreichen. Einzelheiten über Ausmaß dieses Rahmens haben den Befragten in der Regel unbekannt zu sein. In höheren Dienststellungen kann zugegeben werden, daß wir mehr als 21 Divisionen haben; alle weiteren Zahlen sind unbekannt.'"4)

9. Oktober 1936: Das Bataillon zieht nach Rosenheim

Seit der Ausgabe des Rosenheimer Anzeigers vom 3./4. Oktober 1936 wurde die Bevölkerung systematisch auf den am 10. Oktober bevorstehenden Einzug des Bataillons in die neuerbaute Kaserne vorbereitet. Zunächst galt es jedoch, den am 6. Oktober erwarteten „stattlichen Vortrupp" von etwa 50 Lastwagen „herzlichst zu begrüßen".5) Die Bevölkerung konnte der Tagespresse ganz genau entnehmen, was von ihr erwartet wurde. Zunächst einmal: „Ganz Rosenhelm freut sich auf die Pioniere!", deshalb: „Ganz Rosenheim wird daher am kommenden Samstag ein Flaggenmeer sein! Kein Haus, kein Fenster ohne Fahne!"6) Kreis- und Ortsgruppenleiter, Vertreter der Wehrmacht, SA, SS, NSKK und Sanitätskolonne planten und organisierten den Ablauf des Empfangs in allen Einzelheiten. Am 8. Oktober wurden dann im Rosenheimer Anzeiger alle Betriebsführer aufgefordert, sämtliche SA-, SS- und HJ-Mitglieder am Festtag ab 11 Uhr zu beurlauben. Auch alle städtischen Einrichtungen schlossen wegen des Garnisonsempfangs ab 11 Uhr die Pforten.7)
Große Teile der Bevölkerung waren sicherlich begeistert darüber, daß Rosenheim nun endlich eine Garnisonsstadt wurde. Der kasernenhof-artige Ton der gleichgeschalteten Tagespresse legt aber auch die Vermutung nahe, daß sich die Veranstalter dieses Spektakels eine nur mäßig begeisterte Bevölkerung weder leisten konnten noch wollten. Die Festfolge sah unter anderem vor:
14.00 Uhr Einmarsch der Truppen aus der Richtung Sanierung [Kolbermoor].
14.15 Uhr Begrüßungsansprache des Oberbürgermeisters Zahler auf dem Max-Josefs-Platz, Vorbeimarsch der Truppe am Standort-führer Ullersperger in der Prinzregentenstraße.
19.30 Uhr Großer Zapfenstreich des Pi.Btl. 7 mit festlicher Beleuchtung einiger Straßenzüge, anschließend: Ehrenabend im Hofbräusaal, wobei die Eintrittskarten in erster Linie an „Formationen" ausgegeben wurden.8)
Am Sonntag gab es dann noch ein Standkonzert der Pionierkapelle und anschließend ein gemeinsames Eintopfessen für die Wehrmacht und geladene Gäste. Die Stadt Rosenheim empfing „ihre" Pioniere dann auch wie erwartet: „[...] es war vielleicht der schönste, rascheste und festgefügteste Brückenbau, den das Pionierbataillon 7 je durchgeführt: die Brücke von Herz zu Herz."9) Oberbürgermeister Zahler fand Worte, die an eine Hochzeit erinnern: „So wie heute viele tausend Herzen der Truppe entgegenschlagen, die künftig ihren Standort in unserer Stadt haben wird, [...] so wird auch Rosenheim sich mit seinen Pionieren aufs engste verbunden fühlen und in guten wie in schlechten Tagen Leid und Freud mit ihnen zu tragen wissen."10) Kommandeur Major Ullersperger antwortete: „Das Bataillon gelobt, mit den Gliederungen der Bewegung, der Stadt und der Bevölkerung das beste Verhältnis herzustellen und zu pflegen."11) Man beachte die Reihenfolge.
Am 28. Oktober wurden auf dem festlich geschmückten Max-Josefs-Platz 429 junge Rekruten des Pionierbataillons 7 vereidigt.12)

9. März 1938: Der „Einsatz Österreich"

Am Mittag des 11. März 1938 erfolgte der Abmarsch der motorisierten Teile des Bataillons in Richtung Simbach an der österreichischen Grenze. Das Kriegstagebuch vermerkt: „Begeisterung bei den Soldaten über Aufgaben, die gerüchteweise in Richtung Österreich und die Tschechoslowakei gehen; den älteren Männern sieht man den Ernst der Lage an." Am Nachmittag erkundete der Kommandeur die Lage für den Brückenübergang von Simbach nach Brau-nau, Hitlers Geburtsstadt. Vermerk: „Truppe sehr begeistert über bevorstehenden Einsatz, können es kaum mehr abwarten."13)
Am 12. März überschritten die Pioniere die Grenze nach Österreich, wo sie nach eigenen Angaben von den österreichischen Zoll- und Grenzbeamten sowie einigen „Burschen", die sich später als „illegale SA-Männer" herausstellten, mit „lauten Heil-Rufen" empfangen wurden. Morgens gegen 7 Uhr stattete Kommandeur Ullersperger mit einigen Offizieren dem Geburtshaus des „Führers" einen Besuch ab. Doch die Truppe blieb nicht in Braunau.14) Es ging weiter in Richtung Ried, dann nach Lambach und Melk. Vom 17. März an überkam die Soldaten dann offensichtlich schon Heimweh: „Auf Befehl des Korps-Kds. v. 16. 3. erfolgen besondere Anordnungen für den Weitermarsch in die ,vorläufigen Endunterkünfte'. Die Truppe spricht bereits davon, daß sie ganz in Österreich bleiben muß. Trotz aller Begeisterung über den Einsatz und die Schönheiten des Landes ist in Anbetracht der herrlichen Stamm-Garnison am Inn die Stimmung darüber nicht zum Besten."15) Major Ullersperger bemerkte noch, daß in Ried die „sogenannte Offiziersmesse äußerst bescheiden und einfach" sei und es in der ehemaligen österreichischen Armee „auffallend verhältnismäßig schlecht gekleidete und sehr überalterte Offiziere" gebe.16)
Währenddessen, am 13. März 1938, einem Sonntag, wurde den Behörden und Vorständen für den folgenden Tag von Oberbürgermeister Gmelch unter dem Betreff „Verbrüderungsfeier der Tiroler und der Deutschen Wehrmacht in Rosenheim" der Einmarsch einer Ehrenkompanie der Tiroler Landesschützen angekündigt, der selbstverständlich in angemessenem Rahmen stattzufinden hatte. Das hieß, „sämtliche Gliederungen der Partei" und die „Gesamtbevölkerung Rosenheims" waren aufgefordert, am Montag, vormittags um 11.15 Uhr zum Empfang bereit zu stehen.17) „In den Augen der Österreicher, die durch die Rosenheimer Straßen zum erstenmal herein ins große einzige Vaterland marschierten, stand ein glückliches Leuchten, frohes Lachen war auf allen Gesichtern. So marschierten sie durch die jubelnde Gasse von emporgereckten Händen, durch die Straßen, die an diesem Tag ein Meer flatternder sonnenleuchtender Fahnen waren, zum Max-Josefs-Platz."18)
Am 29. März kamen die Pioniere wieder nach Rosenheim zurück, zwei Tage später war die Demobil-machung beendet und das Bataillon „stolz und dankbar, mit dabei sein gedurft zu haben, als der Führer zum Einsatz Österreich gerufen hatte."19)
Über die Beteiligung der Pioniere an der Annexion des Sudetengebietes Anfang Oktober 1938 hegt nur eine Zeitungsmeldung vor, in der die wie üblich bejubelte Heimkehr nach Rosenheim berichtet wird.20)

Kriegseinsätze 1939 - 1945:

In der Ausgabe des Rosenheimer Anzeigers vom 14./15. Oktober 1939 berichtet Kommandeur Ullersperger über den Einsatz beim Überfall auf Polen. Den Beginn des Zweiten Weltkrieges erlebte das Bataillon laut Ullersperger „in vorderster Front". Es war „bei der Wegnahme von Bunkern entscheidend eingesetzt", später dann an der „Vernichtung" dreier polnischer Rest-Divisionen in den Wäldern von Lemberg beteiligt. Dieser Feldzug kostete acht Soldaten das Leben.21)
Das nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand letzte erhaltene Kriegstagebuch des Pionierbataillons 7 wurde vom 8. November 1939 bis zum 24. Juni 1940 angelegt. Nach dem Polenfeldzug wurde das Bataillon in die Nähe von Düsseldorf an den Rhein verlegt. Vom 8. November 1939 bis zum Beginn des Westfeldzuges am 10. Mai 1940 nahm die Einheit am „Sitzkrieg" teil, fertigte sogenannte Westwallringe aus Draht und kämpfte mit der Langeweile: „Anhaltende Kälte, Schneefall und mangelndes Übungsgerät machen die Beschäftigung der Kompanie zu einem Problem für die Kompanie-Führer; Anforderungen von Mannschaften zum Schneeschaufeln oder Kohlenfahren bringen einige Abwechslung in die ewige Leier von Unterricht, Waffen- und Fahrzeugpflege, Appellen, Baden, Märschen und was sonst noch in den zeittötenden Begriff ,Beschäftigungstheorie' fällt."22)
Der Begriff Langeweile fällt noch häufiger. Noch am 3. Mai 1940 beklagte man sich über den „geradezu friedensmäßigen Dienst bei den Einheiten, dazu Versetzungen und der übliche Kram wie im tiefsten Frieden." Am 10. Mai begann der Angriff auf die holländische Grenze. Am 28. Mai wurde die Kapitulation der belgischen Armee bekannt. Der Westfeldzug endete für den größten Teil des Pionierbataillons 7 in Bourbon - Lancy an der Loire. Zu beklagen hatte es neun Gefallene und 26 Verwundete.23)
Der spätere Oberst Ullersperger gab aus Anhänglichkeit an die „alten Rosenheimer Pioniere" drei Nachrichtenblätter in den Jahren 1942 bis 1944 heraus, in denen er über ihm bekannt gewordene Ereignisse, Schicksale und Entwicklungen berichtete. Sein Interesse galt nur den Offizieren, so daß über die Mannschaften daraus nur Allgemeines zu erfahren ist. Durch ständige Versetzungen, Einberufungen und verschiedene Einsatzorte wird es unmöglich, den Weg des gesamten Pionierbataillons 7 im Zweiten Weltkrieg zu verfolgen. Ullersperger berichtete über die Beteiligung des Bataillons am Kriegsverlauf in Rußland: „Am 22. 6.1941 trat es als erste Welle erneut zum Kampf an und war an allen bedeutenden Kämpfen im allgemeinen immer entlang der Rollbahn nach Moskau beteiligt. Das Bataillon hat schwere Verluste bringen müssen. Insbesondere war wieder hoch die Zahl der gefallenen Offiziere. Der Winter 1941/42 sah das Bataillon stark geschwächt an Zahl, doch ungebrochen an seinem Geiste."24)
Im letzten Nachrichtenblatt von 1944 schrieb Ullersperger: „Das aktive Bataillon hat, ziemlich an der Naht der Heeresgruppen Süd und Mitte stehend, schwere und schwerste Kämpfe erlebt. Nahezu alle Offiziere fielen aus."25)
Über den „alten heben Standort" berichtet Ullersperger in allen drei Nachrichtenblättern. Im Mai 1940 zog das Pionier-Ersatz-Bataillon 47 in die Rosenheimer Kaserne. Zuvor waren dort für einige Zeit Tiroler Landesschützen stationiert gewesen, die die Liegenschaften des Pionierbataillons 7 laut Ullersperger nicht besonders pfleglich behandelten. Besonderen Ärger erweckte in Ullersperger die Absicht der Landesschützen, das soeben fertiggestellte Offiziersheim „in Benutzung zu nehmen." Als dann Ende 1940 das Pionier-Lehr-Bataillon 3 dauerhaft in Rosenheim stationiert war, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem damaligen Kommandeur, die aber später, nach einem Kommandeurswechsel, beigelegt werden konnten.26)
Die letzte Nachricht über den „alten Standort" bekommen wir von Oberst Ullersperger, der mittlerweile „Festungspionierkommandeur" an der französischen Mittelmeerküste geworden war, im Februar 1944: „Im alten Standort hat sich wenig geändert. Der totale Krieg hat naturgemäß die Stadt stiller gemacht. Viele Lücken wurden gerissen, doch vorläufig ist der schöne Standort wenigstens noch von Luftangriffen verschont geblieben, und wir hoffen, daß es auch weiterhin so bleibt."27)

Susanne Ullrich

Anmerkungen:

1) Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht vom 16. 3.1935, RGBL 1935, Teil I, S. 363 ff.
2) Bundesarchiv Freiburg, RH 46/476 - 81.
3) Ebenda - 34.
4) Ebenda - 24.
5) RA vom 3./4.10.1936.
6) RA vom 6.10.1936. 71 RA vom 9. 10.1936.
8) RA vom 9.10. 1936 und 10./11.10.1936. RTW vom 12. 10.1936.
9) RA vom 12.10. 1936.
10) Ebenda.
11) Ebenda. Sogar die Münchener Neuesten Nachrichten berichteten am 12.10.1936 über den Einzug der Pioniere in Rosenheim.
12) RA vom 29.10.1936.
13) Bundesarchiv Freiburg, RH 46/665, Kriegstagebuch Pionierbataillon 7, Eintrag vom 11. 3.1938.
14) Ebenda, Eintrag vom 12. 3. 1938.
15) Ebenda, Eintrag vom 17. 3.1938.
16) Ebenda, Eintrag vom 14. 3.1938.
17) StARo, Altregistratur I A 1 - 97.
18) RA vom 15. 3.1938.
19) Bundesarchiv Freiburg, RH 46/665, Kriegstagebuch Pionierbataillon 7, Eintrag vom 31. 3. 1938.
20) RA vom 20.10.1938. 21) RA vom l4./15.10.1939.
22) StARo, Benutzerakt Pioniere, Kriegstagebuch n, Eintrag vom 3.1.1940.
23) Ebenda, Liste der Gefallenen.
24) StARo, Benutzerakt Pioniere, Nachrichtenblatt Nr. 1 der alten Rosenheimer Pioniere, November 1942, S. 3.
25) Ebenda, Nachrichtenblatt Nr. 3 der alten Rosenheimer Pioniere, Februar 1944, S.3.
26) Ebenda, Nachrichtenblatt Nr. 1, S. 4.
27) Ebenda, Nachrichtenblatt Nr. 3, S. 3.