Der Rosenheimer Fassadenpreis

Der Rosenheimer Fassadenpreis sorgt seit 1972 für einen Wettbewerb um das Gesicht der Stadt. Mit der Einführung eines Fassadenpreis für vorbildlich renovierte Häuser reagierte die Stadt Rosenheim in den frühen 1970er Jahren auf die wachsende Unzufriedenheit vieler Bürger mit den starken Veränderungen im Stadtbild seit dem Zweiten Weltkrieg. Besonders der puristische Neubau des Kaufhauses Karstadt 1970 hatte in der Bevölkerung für großen Unmut gesorgt.

1973 entschied sich der Stadtrat für den jährlichen Preis, mit dem bis 1999 117 Bauwerke vom Altstadthaus über die Vorstadtvilla bis zum Bauernhaus prämiert wurden. Es war einer der ersten Anträge, den der junge Stadtrat Michael Stöcker eingebracht hatte. Der Fassadenpreis, der jeweils für Fassadenfertigstellungen des Vorjahres vergeben wurde, war zunächst auf die Prämierung besonders gelungener und vorbildlicher Fassadenerneuerungen an historischen Bauten in der Innenstadt beschränkt.

Später wurden auch Bauwerke aus den Stadterweiterungen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts miteinbezogen. Geändert haben sich im Lauf der Zeit auch die Ansprüche auf die Qualität der Renovierungen, da neben einem neuen Fassadenanstrich immer mehr Wert auf eine Rekonstruktion alter Stilelemente und die originalgetreue Unterteilung der Fenster gelegt wird. Die Vergabe der Preise war im Stadtrat oft umstritten, da sich Mandatsträger und Vertreter des Bauamtes nicht immer einig über die Qualität der einzelnen Baumaßnahmen waren.

Wurden in den Jahren 1987 und 1997 sieben bzw. acht Fassadenpreise verliehen, waren es 1985 nur zwei und 1991 nur eine Prämierung. Im Jahr 1998 wurde sogar überhaupt keine Baumaßnahme ausgezeichnet. 1987 fand sich mit dem Eckhaus der Firma Meirandres an der Heilig-Geist-Straße zum ersten Mal ein Neubau unter den prämierten Objekten und im Jahr 1992 erhielt die neue Dacheindeckung des Schuhhauses Reindl am Ludwigsplatz eine Auszeichnung.

Die Eigentümer der renovierten Häuser erhalten eine Urkunde und eine Keramik-Plakette. Früher wurden auch Geldpreise zwischen 500 und 1.000 Mark vergeben. Gut ein Dutzend Häuser wurde im Lauf der 27jährigen Praxis schon zweimal prämiert. So manches Objekt erhielt nach einer kräftigen Farbgebung im Geschmack der frühen 1970er Jahre in den 1990er Jahren wieder eine zarte Pastelltönung. Durch den Fassadenwettbewerb profitierte das Stadtbild Rosenheims erheblich.

Die Verleihung des Preises soll aber auch eine Anerkennung für den hohen finanziellen Aufwand sein, der den Hausbesitzern bei einer Renovierung entsteht. Mittlerweile werben Bau- und Malerfirmen bewusst damit, dass sie an einer prämierten Baumaßnahme beteiligt waren. Die jährliche Preisvergabe sorgt auch über die lokalen Medien dafür, dass Altstadterhaltung, Denkmalschutz und die Geschichte der einzelnen Häuser stärker ins Bewusstsein der Rosenheimer Bürger rücken.

Zeitzeuge