Studentenstreiks am Holztechnikum

Im Juni 1968 beschloss die Studentenschaft der Staatlichen Ingenieurschule für Holztechnik, des Holztechnikums, einen unbefristeten Vorlesungsstreik und Prüfungsboykott.

Anlass waren die Beschlüsse der 123. Kultusministerkonferenz in Hannover, die, wie es der Allgemeine Studentenausschuss formulierte, den "Weg zu einer fortschrittlichen Akademiegesetzgebung versperren" würden.

Der studentische Unmut richtete sich besonders gegen den bayerischen Kultusminister, Dr. Ludwig Huber, der bei der Konferenz mehreren "reaktionären Klauseln" zugestimmt hatte.

Den Studenten ging es neben besseren Studienbedingungen vor allem um die Anerkennung ihres Examens im ganzen EWG-Raum, damit verbunden um die Einführung einer zwölfjährigen, statt zehnjährigen Vorbildung für Ingenieurschulen, wie es beispielsweise in Frankreich oder Belgien bereits üblich war.

Außerdem sollten die Ingenieurschulen nicht mehr unter der Fachaufsicht der Kultusministerien stehen, sondern als Ingenieurakademien mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts fungieren.

Dadurch sollten den einzelnen Schulen je nach ihrer Besonderheit größere Selbständigkeit gegeben und es ermöglicht werden, dass nicht nur Dozenten mit Staatsexamen lehren durften, sondern auch besonders qualifizierte Fachleute aus der Industrie.

In der Nacht zum 11. Juni 1968 hatten die Studenten mit drei Autos auf den Treppenabsätzen vor der Ingenieurschule den Haupteingang blockiert. Noch vor Vorlesungsbeginn hatten sich alle 230 Ingenieurstudenten in einem Hörsaal versammelt, um ihre weiteren Aktionen zu planen.

Der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) bezeichnete neben seinen Forderungen auch die Einführung einer Präsidialverfassung an den Schulen als wünschenswert, nach der der Direktor alle sechs Jahre von einem Akademierat gewählt würde.

Der Rat sollte sich zu drei Vierteln aus Dozenten, und zu einem Viertel aus Vertretern der Studentenschaft zusammensetzen.

Der damalige Leiter des Holztechnikums, Dr. Josef Gefahrt, zeigte Verständnis für die Forderungen der Studenten, kritisierte aber die Art des Protestes. Vorlesungsstreik und Prüfungsboykott nannte er "brisante Waffen". Dennoch stimmten alle versammelten Ingenieurstudenten dem Streik zu. Nach der Kundgebung verwandelte sich der Hörsaal in das Hauptquartier der Streikenden, in dem Streikposten eingeteilt, Arbeitsgruppen gebildet und Flugblattverteiler und Plakatmaler geworben wurden.

Es streikten nur die Ingenieurstudenten, nicht aber die Techniker und Kaufleute des Holztechnikums. Am 12. Juni 1968 führten die Studenten einen Demonstrationszug in Rosenheim durch. Knapp eine Woche später beteiligten sich die Rosenheimer an der Demonstration der Ingenieurstudenten aus ganz Bayern in München.

Bis Oktober 1968 dauerten die studentischen Protestaktionen, dann konnte der Vorsitzende des AStA, Peter Horváth-Mohácsi mitteilen, dass die Forderungen der Ingenieurstudenten in naher Zukunft verwirklicht würden. Damit endete der Vorlesungsstreik und der Prüfungsboykott.

Die Ingenieurschulen wurden zu Fachhochschulen ausgebaut, in denen die Studentenschaft ihre Belange zufriedenstellend selbst wahrnehmen konnten. Auch die zwölfjährige Vorbildung zur Aufnahme an eine Fachhochschule wurde umgesetzt. Noch im Sommer 1968 begann der sechsgeschossige Neubau des Holztechnikums an der Marienbergerstraße mit 25 Hörsälen und einer Kapazität für 800 bis 900 Studienplätzen, der bereits ein Jahr später bezogen werden konnte.