Rosenheim auf der Beat-Welle

 Über den Pee-Wee-Keller im ehemaligen Ratskeller des Hofbräu erfasste die Beat-Welle Rosenheim, auch wenn der Keller nur etwa eineinhalb Jahre existierte und 1967 dem "Exil" weichen musste.

Von Anfang 1966 war hier das Szene-Lokal der Rosenheimer Jugend. An den Wochenenden spielten neben der Hauptband, eben den Pee-Wees, Musikgruppen wie die Rascals, Coins oder Shawls. Der Pee-Wee-Keller war weit über Rosenheim hinaus bekannt.

Sogar Münchener Jugendliche besuchten ihn, wie ein Redakteur des Oberbayerischen Volksblattes vom 11. August 1966 berichtete:

"Eintrittskarten gibt es nicht." Der Jüngling an der Kasse drückt dem Besucher einen grünen Stempel auf den Handrücken. Das kostet zwei Mark (vor neun Uhr sogar fünfzehn Pfennig mehr). Dann sind wir mitten im Gewühl. Im ehemaligen gutbürgerlichen Ratskeller amüsiert sich Rosenheims Jugend unter 19 Jahren.

Die Kapelle spielt einen ohrenbetäubenden, aber nicht ungeschickten Beat. Beatles sind dagegen Mangelware. Ich frage das blonde Mädchen an meinem Tisch... ob für sie ein Langhaariger als Spezi in Frage kommen könnte: "Warum net", lautete die Antwort, "aber gepflegt muaß er scho sei!"

Die Tanzfläche ist überfüllt. Temperamentsausbrüche erlaubt der halbe Quadratmeter, der jedem Pärchen zur Verfügung steht, nicht. Man zelebriert die Tänze wie ein Ritual, mit ernster Miene und sorgfältig abgezirkelten Arm- und Beinbewegungen. Am Schluss bedankt sich die Musik mit einem bayerisch gefärbten "Merci", und alles setzt sich.

Interview mit dem "Manager" des Klubs, ein achtzehnjähriger Gymnasiast. Er ist verantwortlich, dass jedes Wochenende eine Kapelle verpflichtet wird. Im Moment spielen die "Pee-Wees". Warum "Pee-Wee"? Er gibt mir eine Reihe von Erklärungen: "Der Name Pee Wee ist so einfach, daß ihn auch das dümmste Mädchen aussprechen kann". Außerdem nenne sich ein berühmter Jazz-Musiker so, aber "den wern Sie net kenna."

Ob`s schon mal Schwierigkeiten mit dem Jugendamt gegegen habe? Eigentlich nicht. Am Sonntag komme der "Keller-Maxi" (gemeint ist Stadtamtmann Keller, der Leiter des Jugendamts), und schreibe ein paar allzu jugendliche Playboys und -girls auf. Nicht so am Samstag, "da mag er sei Ruah ham!"

Um 22.15 Uhr verkündet der Lautsprecher: "Jugendliche unter 18 Jahren sind seit einer Viertelstunde zu Hause." ... Inzwischen hat uns die Kellnerin Bier gebracht. Gläser verspricht sie nachzuliefern. Nach einer halben Stunde machen wir`s wie alle anderen und trinken aus der Flasche.

Nächster Tanz. Ich versuche mein Glück am Nebentisch. Eine fünfzehjährige Schöne sagt auf meine höfliche Aufforderung, ob sie mit mir tanzen wollen, ein schlichtes, aber ehrliches "Na". Der Manager tröstet mich. Ich solle Sonntag vorbeikommen, da sei Mädchenüberschuss, jeder hätte eine Chance - sogar ich.

Neue Gäste sind eingetroffen, vier junge Münchner. Ja, sie seine schon öfters hier gewesen. Mit dem Moped sind sie nach Rosenheim gekommen, morgen früh geht`s wieder heim. Ich möchte wissen, ob man in München nicht tanzen gehen könne: "Erschtens is des aso teier, und mia gengan lieba da her. Einfach - weil Schwabing so fad is..."

Nachdem der Pee-Wee-Keller aufgelöst war, traf man sich im Count-Down-Beatclub im Flötzinger-Keller, im Studiokeller Big Bag an der Samerstraße oder im Cafe Bavaria.

1968 fand in Rosenheim ein großer Beat-Wettbewerb statt, bei dem die Rosenheimer Soul- und Beatband "The Roosters" hinter einer amerikanischen Profiband den zweiten Platz belegte. Einige Wochen später, als in Hausham ein Beatwettstreit mit ausschließlich Spitzenkapellen stattfand, besiegte die Rosenheimer Band die gesamte Konkurrenz und belegte den ersten Platz.

Am 24. Januar 1969 rollte der bisher größte Beatwettbewerb seiner Art, arrangiert vom "Club Touropa" im Ruhpoldinger Kursaal mit 1.300 Zuschauern. Gewählt wurde vom Publikum die "beliebteste Band" und von einer Fachjury die "beste Band". In beiden Kategorien erkämpften sich die "Roosters" mit einer mitreißenden Show und den neuesten Beat- und Soulsongs den Sieg. Der Preis dafür war ein Schallplattenvertrag und verschiedene Engagements in München. 

Zeitzeuge