Gründung der Volkshochschule

Als am 13. September 1946 das noch junge Oberbayerische Volksblatt von der Errichtung einer Volkshochschule für Rosenheim-Stadt und Rosenheim-Land berichtete, wurden als primäre Ziele der neuen Einrichtung neben der Möglichkeit zur Weiterbildung vor allem die "Hebung und Förderung unseres Menschentums durch die Aneignung von Kenntnissen" und damit verbunden die Erziehung zu selbständigem Denken, zu Wahrheit und Gerechtigkeit" angestrebt.

Nach den Jahren der "Nazi-Barbarei" galt es, durch ein neues Bildungsangebot die Basis für eine funktionierende demokratische Gesellschaft zu schaffen.
Bereits im Februar 1946 hatten die Gewerkschaften die Initiative ergriffen und für den Kreis Rosenheim mit der Durchführung von Arbeitsgemeinschaften begonnen. Diese Kurse, die werktags nach Feierabend abgehalten wurden, deckten insgesamt 9 Fächer ab, darunter Deutsch in Wort und Schrift, Literatur und Literaturgeschichte, Rechnen, Stenographie und die Fremdsprachen Englisch, Italienisch und Russisch. Die Teilnahme beschränkte sich dabei nicht nur auf Gewerkschaftsmitglieder; auch die nicht gewerkschaftlich organisierten Werktätigen konnten die Kurse besuchen, mußten dafür aber, anders als Gewerkschaftsangehörige, eine Kursgebühr von 3 Reichsmark entrichten.
Auch andere Gruppen, wie die Kolping-Familie und die katholische Kirche (mit dem "Religiösen Vortragswerk") versuchten, durch Einführung von Gesprächsrunden und Vorträgen "dem geistig wachen Menschen dazu zu verhelfen, die Zeit geistig und seelisch zu bewältigen und zu verstehen".
Anders als diese, deutlich religiös ausgerichteten Veranstaltungen, die sich weniger auf die Durchführung von Lehrkursen als auf die Diskussion der Zeitsituation mit ihren Problemen beliefen, wurden Anfang 1946 vom Büro der Abteilung Kriegsopfer in Rosenheim auch Sprachkurse für Kriegsbeschädigte angeboten. Hier konnten Versehrte zu ermäßigten Preisen Englisch, Französisch, Italienisch und Russisch lernen.

Diese und ähnliche Bestrebungen auf eine breitere Basis stellend, begann die Volkshochschule schließlich im Herbst 1946 mit ihrer Arbeit, die sich auf das Abhalten von Kursen und Vorträgen erstreckte. Die Kurse fanden an jedem Montag, Mittwoch und Freitag Abend zwischen 19.15 und 21.15 Uhr statt, während die Vorträge an jedem Dienstag und Donnerstag Abend stattfanden.
Die angebotenen Fächer waren neue allgemeine Naturlehre, Stenografie, Buchführung, Werbung mit Plakatschrift, Stil und Sprache, Rechtsfragen des Alltags, Geschichte und Politik, Chemie, sowie Bauzeichnen, Technisches Zeichnen, Elektrotechnik, Wärmelehre, Optik und die gängigen Fremdsprachen, wobei es sich bei den Fortgeschrittenenkursen im kaufmännischen Bereich um die konsequente Weiterführung der oben erwähnten Gewerkschaftskurse handelte. Da die Teilnahme an den Kursen und Vorträgen gebührenfrei war, gab es für niemand, der sich fortbilden wollte, ein finanzielles Hindernis.

Dem provisorischen Charakter der ersten Jahre entsprechend, war das Sekretariat der VHS, das die Anmeldungen entgegennahm und die Teilnahmekarten ausgab, im Stadtarchiv untergebracht, während die einzelnen Kurse selbst in den Räumlichkeiten der Stollschule abgehalten wurden. Gleich von Beginn an fand das Angebot regen Zuspruch: Die von 17 Dozenten betreute Zahl der Kursteilnehmer belief sich im ersten Jahr auf 839 Personen, im Folgejahr waren es bereits 1.229. Auch die Zahl der Kurse und die Angebotspalette selbst wurden rasch ausgebaut.

Schon im ersten Jahr kam als neues Fach der Bereich Holzfachkunde hinzu. Viele Lernwillige, die sich während dieser Zeit "zur weiteren Berücksichtigung" für Kurse als Interessenten registrieren ließen, konnten wegen des akuten Raummangels nicht an Kursen teilnehmen. Finanziell getragen wurde die VHS sowohl durch staatliche und städtische Zuschüsse, als auch durch Finanzhilfen des Landkreises und der Militärregierung, zu denen mit der Zeit auch die Einnahmen aus den unvermeidlich gewordenen Kursgebühren (zunächst 50 Pfennig die Stunde) kamen.
Rechtlich gesehen wurde die VHS anfangs durch ein Kuratorium geführt, bevor sie 1967 von der Stadt übernommen und dem Kulturamt unterstellt wurde. Dieser Entschluß erwies sich als richtig, da innerhalb von 10 Jahren nach der Übernahme die Zahl der Hörer verzehnfacht werden konnte. Mit den Teilnehmerzahlen wuchs der Staatszuschuß, das Kursangebot fächerte sich immer weiter auf. Die Kurse und Vorträge wurden durch Seminare und Studienreisen ergänzt. Die Absprache mit den anderen Bildungsstätten wie Katholisches Bildungswerk ermöglichte gut abgestimmte Programmangebote.