Widerstand und Verfolgung

Mit der "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 als Konsequenz auf den Reichstagsbrand wurde der ständige zivile Ausnahmezustand legitimiert.
Die "Notverordnung" setzte Grundrechte außer Kraft und ermöglichte die "Schutzhaft" als Terrormaßnahme zur Bekämpfung aller potentiellen Gegner des NS-Regimes. Dabei behielt sich die Polizei vor, einen Häftling im örtlichen Gefängnis zu behalten, ihn in ein KZ einzuliefern oder ihn der Justiz zu übergeben. Damit gab es keine Kontrollmöglichkeit der Gerichte und jeder Häftling war der Willkür der Gestapo ausgeliefert.

Die ersten Verhaftungen setzten in Rosenheim im März 1933 ein. Bis Mitte April befanden sich eine Vielzahl politischer Gefangener in Schutzhaft im Rosenheimer Amtsgerichtsgefängnis. Außerdem wurden zahlreiche Fälle vor dem Münchener Sondergericht beim Landgericht verhandelt. Dabei wurde die juristische Kompetenz dieser Sondergerichte von zunächst speziell bezeichneten politischen Vergehen zunehmend ausgeweitet und umfasste seit 1940 beinahe jede Straftat.
Rosenheimer Delikte beinhalteteten vor allem Regimekritik, Wirtschaftsvergehen mit Sabotage und verbotenen Umgang mit Kriegsgefangenen. Meist erfuhr die Polizei durch Denunziation von den Fällen. Diese konnte durch den direkten Gesprächspartner, durch zufällige Ohrenzeugen, durch ein offizielles Schreiben eines Parteifunktionärs oder einen anonymen Brief erfolgen. War das Strafmaß vor Ausbruch des Krieges noch relativ mild (auch für das nach dem Heimtückegesetz schwerste Delikt, eine Beleidigung Hitlers, gab es "nur" vier Monate Haft), steigerten sich die Strafen mit Kriegsbeginn.

Die Verfolgung der politischen Gegner begann mit der Verhaftung von KPD- und SPD-Parteimitgliedern und -stadträten, die teilweise ins KZ Dachau eingeliefert wurden. Als nächster Schritt wurden Gewerkschaften und Arbeitervereine sowie linksgerichtete Organisationen gleichgeschaltet oder verboten. Am 2. Mai 1933 wurde das Haus der freien Gewerkschaften Rosenheims in der Salinstraße 17 gestürmt, Akten vernichtet, Mitgliederlisten beschlagnahmt und Spitzenfunktionäre in Schutzhaft genommen.
Es folgte das Verbot der SPD am 22. Juni 1933 und die bereits im April begonnene zwangsweise Auflösung von Vereinen, die den Gewerkschaften, der SPD oder KPD nahestanden. So sollte der politische Gegner restlos vernichtet werden. Um bei der Auflösung der Gewerkschaften auf keinen Widerstand zu stoßen, hatte der NS-Staat den 1. Mai, seit 1899 der Kampf- und Feiertag der Arbeiterbewegung, per Gesetz zum "Feiertag der nationalen Arbeit" mit Lohnfortzahlung erklärt.

Damit wurden die jahrzehntelangen Forderungen von Arbeiterbewegung und Gewerkschaften mit einem Schlag erfüllt und das Regime zeigte sich "arbeiterfreundlich". Erst nach dem Ende des Dritten Reichs konnte eine freie Rosenheimer Gewerkschaft wiedergegründet werden. Zunächst begrüßten die christlich-konservativen Kreise die Zerschlagung der linken Kräfte. Bald wurden jedoch kritische Stimmen laut. Der Aspekt des Widerstands tritt am deutlichsten beim Protest der katholischen Kirche hervor.

Als heftige Regimegegner erwiesen sich hier der Stadtpfarrer Josef Bernrieder und der Chorregent Siegfried Pfaffinger. Beide setzten Zeichen des Widerstands, indem sie beispielsweise beim Schulunterricht den "deutschen Gruß" verweigerten oder an den neuen nationalsozialistischen Feiertagen die Fahnen verspätet hochzogen. Bernrieder nahm auch von der Kanzel herab Stellung gegen Maßnahmen des neuen Regimes. So wetterte er gegen das Verbot der Erntedankprozessionen außerhalb von Kirchenräumen. Da die Rosenheimer Nazis gegen den beliebten Stadtpfarrer nicht vorzugehen wagten, wandten sie sich gegen den Kaplan und Chorregenten Siegfried Pfaffinger, der beim Religionsunterricht in den Schulen kein Hehl aus seiner Abneigung gegen das nationalsozialistische Regime machte.

Als Vorsitzender der katholischen Jugendverbände stellte er sich offensiv gegen HJ und BDM. Damit machte er seine Anzeige und Verurteilung zu 75 Reichsmark beziehungsweise 15 Tage Haft möglich. Ebenso fiel er in seiner Eigenschaft als Präses der katholischen Jugendverbände dem Regime unangenehm auf, was ihm sogar einen Gefängnisaufenthalt einbrachte.

Pfingsten 1937 musste Pfaffinger die Pfarrei St. Nikolaus verlassen. Die nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs eingeleitete Untersuchung erbrachte kein Ergebnis, Bernrieder und Pfaffinger verzichteten beide auf weitere Untersuchungen oder ein Strafverfahren. Der Unmut in der Bevölkerung über die Verfolgung der katholischen Geistlichkeit wurde durch die standhafte Haltung des katholischen Klerus noch bestärkt. Offener Widerstand regte sich allerdings nicht, auch dann nicht, als im Hof des katholischen Gesellenhauses im Januar 1939 ein selbstgebastelter Sprengkörper detonierte. Die Polizei vermutete die Täter im nationalsozialistischen Milieu, eine weitere Verfolgung der Tat wurde schließlich eingestellt.
Proteste der Bevölkerung gab es bei der Entlassung der Armen Schulschwestern im Januar 1937. Die Mädchenvolkschule wurde anschließend von einem fanatischen Nationalsozialisten übernommen. Insgesamt gab es in der Bevölkerung jedoch mehr kollektive Unzufriedenheit und Verweigerung, als offensiven Protest oder aktive Umsturzbewegungen.