Gleichschaltung der Presse

Schon sehr früh hatte Hitler die Bedeutung der Presse als Propagandainstrument erkannt, wobei Verbote missliebiger Zeitungen keine Erfindung der Nationalsozialisten waren, sondern besonders in den letzten Jahren der Weimarer Republik oft angewandte Demonstration staatlicher Macht bedeuteten.
Legitimiert durch die Notverordnungen des Artikels 48 der Reichsverfassung von 1919 ermöglichte die Kontrolle über die Presse die Einstellung von NSDAP-, KPD- und SPD-Blättern.

Die Nationalsozialisten führten diese Pressepolitik bis zur völligen Gleichschaltung der Presse fort. Gab es 1933 noch 479 verschiedene Zeitungen in ganz Bayern, waren es 1944 nur noch 108.
Eine ähnliche Entwicklung gab es auch in Rosenheim bezüglich der beiden großen Zeitungen, dem "Rosenheimer Anzeiger" und dem "Rosenheimer Tagblatt Wendelstein".

Auflagenstärkste bayerische Provinzzeitung war der 1855 von Robert Niedermayr gegründete "Rosenheimer Anzeiger". Unter dem protestantischen Herausgeber Wilhelm Högner nahm die Zeitung eine bürgerlich-konservative, deutschnationale bis liberale Haltung ein, die nach Högners Tod im August 1931 von seinem Nachfolger Hans Mittl beibehalten wurde.

Doch bereits der von Redakteur Hans Birling betreute Lokalteil entwickelte sich zunehmend zu einem nationalsozialistischen Sprachrohr, vor allem da die von den Veranstaltern eingesandten Berichte über örtliche NSDAP-Versammlungen einfach abgedruckt wurden.
Ab März 1933 wurden Leitartikel, die noch die eigene, unabhängige Meinung des Verfassers zeigten, durch eine Hofberichterstattung im Dienste der NS-Propaganda ersetzt. Hauptschriftleiter Hans Mittl musste seinen Posten im Dezember 1933 an Hans Birling abgeben, wurde zum Lokalredakteur degradiert und kurz vor seinem Tod im Februar 1936 sogar ganz aus der Redaktion der Zeitung gedrängt.

Als "katholisches Kampfblatt" erschien seit 1870 das "Rosenheimer Tagblatt Wendelstein", das 1869 vom Verein "katholisches Kasino" gegründet worden war. In Konkurrenz zum "Rosenheimer Anzeiger" versuchte der "Wendelstein" seine Auflagenstärke zu steigern, reichte aber nur zu einem Bruchteil an die Leserschaft des "Anzeigers" heran.
Ab 1910 war Heinrich Bergmann als Redakteur für den "Wendelstein" tätig, 1926 wurde er Verlagsteilhaber und betrieb mit finanzieller Unterstützung durch den Klerus und die Bayerische Volkspartei die Expansion des Zeitschriftenblattes, das als publizistisches Bollwerk gegen die anstürmenden Nationalsozialisten gedacht war. 

Bergmann schrieb vor und nach der Machtergreifung regimekritische Artikel, die dem "Wendelstein" nicht nur polizeiliche Verwarnungen und die Androhung des Verbots eintrugen, sondern auch zur Verhaftung Bergmanns am 2. April 1933 führten. Bergmann kam zwar durch kirchliche Intervention zwei Wochen später wieder frei, durfte sich journalistisch aber nicht mehr betätigen. Am 9. Juli 1933 wurde er erneut verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Außerdem wurde er wegen angeblichen Betrugs denunziert.
Ein von der Bayerischen Politischen Polizei beauftragter Wirtschaftsprüfer erklärte daraufhin den Verlag für bankrott. Nach seiner Entlassung kämpfte Bergmann noch vergeblich gegen die Eröffnung des Konkursverfahrens. Zum 1. April 1934 musste er bedingungslos aus dem Verlag ausscheiden.

Bereits am 15. März 1934 wurde der Münchener Großverleger Müller, ein Duz-Freund des Reichspressechefs Amann, neuer Eigentümer des Verlags, der "Wendelstein" wurde als Kopfzeitung des Völkischen Beobachters nun amtliches Organ der NSDAP. Am 15. Juni 1937 erfuhren die Leser von "Rosenheimer Anzeiger" und "Rosenheimer Tagblatt Wendelstein", dass im Zuge der weiteren "Bereinigung der Zeitungsverhältnisse" die beiden Zeitungen vereinigt werden und das "Tagblatt" sein Erscheinen einstellt.