Atelier Heilig-Geist-Gasse 228 bzw. Stollstraße 8

Das Photoatelier in der Heilig-Geist-Gasse 228, heute Stollstraße 8 21), war das erste fest ansässige Rosenheimer Photoatelier, das über einen längeren Zeitraum Bestand hatte. Seit Anfang der 1930iger Jahre war in dem Gebäude, das im Laufe der Zeit natürlich zahlreiche Um- und Anbauten erfahren hatte, das Cafe Papagei untergebracht.

Julius Liesack

Julius Ferdinand Liesack (auch Lisak, Lusack, Lysack) wurde am 29.&nbspSeptember 1820 in Neu-Stettin/Ostpreußen geboren. Über seinen photographischen Werdegang ist leider nichts bekannt. Erstmals 1861 war Liesack, offenbar noch als Wanderphotograph, in Rosenheim tätig 22). Ab diesem Zeitpunkt muß er Rosenheim oft besucht oder sich hier sogar längere Zeit aufgehalten haben, da in das Jahr 1863 seine Heirat mit der aus Rosenheim stammenden Franziska Marey fällt. Diese persönlichen Verhältnisse mögen für Liesack den Ausschlag gegeben haben, sich in Rosenheim fest niederzulassen.

Im Juni 1866 23) kündigt Liesack "den verehrlichen Kunden, sowie sämmtlichen Bewohnern der Stadt Rosenheim und der Umgebung" die Errichtung eines festen Ateliers in der Heilig-Geist-Gasse 228 beim Uhrmacher Hornstein an, wobei er sich auf das ihm bisher entgegengebrachte Vertrauen berufen kann. Dies scheint tatsächlich so vorhanden gewesen zu sein, da seine nächsten drei Geschäftsnachfolger das Atelier weiterhin unter Hinweis auf Liesacks Namen führen.

1870/71 verlegt Liesack das Geschäft in die Heilig-Geist-Gasse  225 1/2 wo er das Atelier nach seinen Vorstellungen - vermutlich im eigenen Haus - neu baut. Am 09. Mai 1875 beantragt Liesack die bayerische Staatsangehörigkeit, am 30. Mai erhält er in Rosenheim das Heimat- und Bürgerrecht.

Liesack stirbt in Rosenheim arn 22. August 1895.

Edmund Gutbier

Seit 30. Januar 1879 hatte Edmund Gutbier in Rosenheim das Photographengewerbe angemeldet. Schon zu diesem Zeitpunkt, spätestens jedoch 1880, muß Gutbier im Atelier von Julius Liesack beschäftigt gewesen sein, wie eine Werbeanzeige im November 1880 24) deutlich macht. Trotz des von Gutbier verwendeten rückseitigen Werbeaufdrucks auf seinen Photographien, in der ausdrücklich auf das eigene Atelier, vormals Liesack, hingewiesen wird, war Gutbier bei Liesack wohl nur als Photograph angestellt.

Dabei scheint er jedoch auch die Möglichkeit gehabt zu haben, weitere Fachkräfte einzustellen; so war zeitweilig bei Gutbier auch der Photograph Eduard Gerrold(t) tätig, der von 1888 bis 1890 in Würzburg beschäftigt war 25).

1882 siedelte Gutbier nach München über.

Ernst Oehme

1882 läßt sich im Liesack'schen Atelier der Photograph Ernst Oehme nachweisen 26). Allerdings existiert hier nur eine Zeitungsannonce, die Oehmes Tätigkeit in Rosenheim dokumentiert. Oehme empfiehlt sich seinen Kunden mit der Übernahme des Liesack'schen Ateliers, bezieht sich also nicht auf seinen Vorgänger Gutbier. Dies scheint ebenfalls ein Indiz dafür zu sein, daß Liesack weiterhin der Inhaber des Geschäfts war und aus persönlichen, zum Beispiel gesundheitlichen Gründen das Photographieren nicht mehr selber ausübte.

1883 läßt Liesack sein Atelier umbauen und vermietet es schließlich 1884 an Eduard Helmstetter.

Eduard Helmstetter

Martin Eduard Helmstetter wurde am 15. Mai 1859 in Augsburg geboren. Am 02. Januar 1884 meldet er sich mit der Wohnadresse bei Liesack, Heilig-Geist-Straße, in Rosenheim an, wobei er als Herkunftsort Bürgstadt bei Miltenberg angibt.

Vom 11. März datiert seine Gewerbeanmeldung; allerdings erscheint schon am 08. März seine Geschäftsanzeige im Rosenheimer Anzeiger 27), in der er die Übernahme des Liesack'schen Ateliers ankündigt.

Helmstetter scheint, anders als Gutbier und Oehme, nicht lediglich bei Liesack angestellt gewesen zu sein, da er 1885 an das Atelier ein Waschhaus anbaut. Ein - wenn auch kleineres - Bauvorhaben dürfte nur am eigenen Atelier möglich gewesen sein; sonst würde der Bauvorgang wahrscheinlich auch Liesack als Bauherrn nennen.

Helmstetter heiratete am 30. September 1884 die Rosenheimerin Katharina Solleder. Aus der Ehe stammten zwei Töchter, von denen die jüngere 1888 in Rosenheim geboren wurde. Zu diesem Zeitpunkt muß Helmstetter also noch in Rosenheim gewohnt haben. Im Meldebuch ist nur lapidar der Vermerk "fort" eingetragen. Ein Wegzugdatum ist nicht vermerkt, doch wird Helmstetter Rosenheim wohl im Jahr 1889 verlassen haben. Dann übernimmt nämlich Karl Drechsler das vormals Helmstetter'sche Atelier.

Karl Drechsler

1886 noch in Nürnberg 28), läßt sich Karl Drechsler zum ersten Mal 1887 in Rosenheim nachweisen. Er war zunächst als Geschäftsführer im Atelier von Babette Neumayer in der Frühlingsstraße beschäftigt (s. dort). Im Juli 1889 übernimmt er von Helmstetter das Atelier, wobei ausdrücklich auf den käuflichen Erwerb hingewiesen wird 29).

Karl Drechsler stirbt im Februar 1904, worauf seine Witwe Fanny zunächst das Geschäft allein weiterführt 30).

Im April 1905 heiratet Fanny Drechsler den Photographen Franz Riedl, auf den das Geschäft damit übergeht.

Franz Riedl

Franz Riedl wurde am 24. August 1855 in Plößberg bei Tirschenreuth in der Oberpfalz geboren. Seit August 1905 ist er in Rosenheim gemeldet, obwohl seine Heirat mit Fanny Drechsler bereits vom April, die Ankündigung seiner Geschäftsübernahme ebenfalls von diesem Monat datiert 31). Darin empfiehlt Riedl sich besonders durch seine neunjährige Tätigkeit bei einem Stuttgarter Hofphotographen, wie auch durch den zwölfjährigen Bestand seiner Firma in Nürnberg 32). Wie aus seinem Heimatakt hervorgeht, muß Riedl außerdem auch einige Zeit in Regensburg tätig gewesen sein.

Riedl betreibt vor allem in seiner frühen Geschäftszeit in Rosenheim sehr viel Werbung. Allein zwischen November 1906 und April 1907 inseriert er 19 mal im Rosenheimer Anzeiger; demgegenüber stehen bei den anderen Rosenheimer Photographen zwei bis drei Anzeigen in der Weihnachts-(Geschäfts)zeit. Auch druckt Riedl Werbepostkarten - im oberen Teil mit einer Gesamtansicht von Rosenheim, im unteren mit einer Ansicht seines Ateliers in der Stollstraße - und macht somit schon recht moderne "Publicity" für sein Geschäft.

1911 erwirbt Riedl das Bürgerrecht und hat sich damit in Rosenheim endgültig etabliert.

Mit seinen Photographenkollegen allerdings scheint er sich nicht besonders gut verstanden zu haben. Riedl wurde nämlich bei der Weltausstellung in Paris 1910 mit der Goldenen Medaille prämiiert, was offensichtlich Anlaß zu Berufsneid gegeben hat. So muß er in einer Zeitungsanzeige im Juni 1910 vor Zweifel an der Echtheit dieser Medaille und übler Nachrede warnen 33).

Franz Riedl stirbt am 23. Januar 1925 in Rosenheim.