Blick vom Turm der St.-Nikolaus-Kirche über die Heilig-Geist-Straße in Richtung Haustätt

um 1905
Blick vom Turm der St.-Nikolaus-Kirche über die Heilig-Geist-Straße in Richtung Haustätt um 1905

Wenn man um 1905 vom Turm der St.-Nikolaus-Kirche in nordwestliche Richtung blickte, bot sich dem Betrachter ein aus heutiger Sicht ungewohntes Bild: Der Friedhof und das 1899 erbaute Humanistische Gymnasium, hier rechts und links im Bild, lagen am äußeren Stadtrand. Dazwischen, in der linken Bildmitte, teilweise verdeckt durch die Jugendstilvilla Edelweiß von 1902, ist das einstige Marienbad zu erkennen, das damals nur noch als Gastwirtschaft geführt wurde. Die Herbst- und die Westermayerstraße waren noch unbebaut; erst zwischen 1908 und 1927 entstand das dortige Villenquartier im Heimatstil.
Der Standort des spätklassizistischen Mädchenschulhauses links der Heilig-Geist-Straße markiert das Ende der Altstadt; dahinter befand sich einst das Heilig-Geist-Tor mit der sogenannten Schwarzen Brücke über den Marktgraben. Über die Herkunft dieses düster klingenden Namens berichtete die Zeitung „Wendelstein“ 1903: Nach der Errichtung des neuen Friedhofs 1809 „ist ein bequemer Weg nach dieser Gegend notwendig geworden, bequemer, als ihn die Wiesenstraße (Kaiserstraße) bot. Man kam darauf, den Leichentransport von der vorgenannten Stelle aus (Mädchenschulhaus) zu nehmen. Hier waren aber die üblichen 2 parallelen Marktgräben (der eine ist heute eingefüllt) mit ihren Wällen zu überschreiten. Zur Erleichterung des Leichentransports wurden daher dort 2 Holzbrücken neu gebaut, welche der Volksmund als Totenbrücken benannte. Ein sinniger Maler tat das Seine und strich das Geländer der Brücke, wie auch das Gitterwerk, welches die Grenze des Marktes gegen den Gräben abschloß, schön tiefschwarz an, weil diesen Weg die Toten nähmen. Des waren nun wohl die guten Rosenheimer ganz zufrieden, da sie auch über eine schwarze Brücke in ihren Märzenkeller kamen. Aber die verehrlichen Badegäste nahmen an der malerischen Symbolik Anstoß und rügten öffentlich ‚diesen traurigen und ekelhaften Anstrich einer Brücke, welcher die Lustwandelnden unverzüglich ins lachende Grün geleite.‘ Sie erwarteten, der Markt Rosenheim werde, ‚[…] dieser gefühllosen Brücke und dem Gitterwerk die schwarze Trauerkleidung wiederum ausziehen.‘ Ist also bald auch geschehen und der Name schwarze Brücke nicht lange geblieben, ob sie gleich grün geworden und noch grün ist bis auf den heutigen Tag.“

Text: Tobias Teyke
Quelle: Stadtkalender "Bilder aus Alt-Rosenheim", 2009/8

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