Wohnungsnot in Rosenheim 1949

Nach Kriegsende eskalierte die Wohnungssituation in Rosenheim. Durch den großen Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus dem Sudetenland war Rosenheims Bevölkerung fast um ein Drittel angewachsen. Außerdem waren 150 Häuser durch Luftangriffe total zerstört, 129 stark beschädigt worden, wodurch 3.000 Bürger obdachlos geworden waren.

Die Folge davon waren Barackenlager und Wohnraumbewirtschaftung. Oft mussten bis zu zehn einander fremde Personen auf einem Raum von zehn bis 27 qm zusammengepfercht leben. 1948 beschloss der Rosenheimer Stadtrat, dem Wohnungselend mit Wohnbauwerken entgegenzusteuern.
Mit der Währungsreform hatte Rosenheim 5,4 Millionen Reichsmark Reserven eingebüßt. Die Stadt stand vor leeren Kassen. Um nun bei der katastrophalen Wohnsituation dennoch Abhilfe zu schaffen, wurde ein "Wohnungsfond der Stadt Rosenheim" ins Leben gerufen. Der Fond bestand aus Spenden, die entweder als (Bau)Sachleistungen oder als Geldspenden geleistet wurden. Dabei konnte jeder Bürger durch den Erwerb von "Bausteinen", wie die bunten Bildchen mit Kindermotiven genannt wurden, beisteuern.

Zur Bebauung wurde das Gebiet zwischen Friedhof und der Gabelsbergerstraße, das sogenannte Stöttenfeld, sowie ein Bereich an der Pernauerstraße ausgewiesen. Am Stöttenfeld wurden 72 Wohnungen, und in der Wittelsbacherstraße und der Pernauerstraße, der "Flüchtlingssiedlung" 146 Wohnungen von der Baugenossenschaft des Verkehrspersonals und der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft München gebaut, sodass Rosenheim allein im Jahr 1949 insgesamt 218 Wohnungen in Angriff nahm.
Beispielhaft war der Gemeinschaftssinn der Rosenheimer, der dieses Wohnbauprojekt überhaupt möglich machte. Nicht nur die Spendensammlung über "Bausteine", auch Abgaben vom Lohn quer durch alle Bevölkerungsschichten ermöglichten den Wohnungsbau. Der Kostenvoranschlag belief sich im Herbst 1948 auf 200.000 Mark für einen Wohnblock mit 16 Wohnungen. Die Stadt stellte einen Betrag von 100.000 Mark zur Verfügung, von der Post wurde ein günstiges Darlehen von 200.000 Mark gewährt.

So konnte am Sonntag, den 24. April 1949, die Grundsteinlegung des Wohnbauwerks "Am Stöttenfeld" mit Beteiligung des Staatssekretärs Fischer, Chef der Obersten Baubehörde, und Ministerialdirektors Ritter von Lex, vonstattengehen, zu der die ganze Rosenheimer Bevölkerung eingeladen war. Beide Ehrengäste lobten in ihren Festreden das beispielhafte Rosenheimer Engagement. Die zunächst gebauten beiden Wohnblocks "Am Stöttenfeld" boten für eine relativ günstige Miete von 25 bis 40 Mark etwa 50 qm große Wohnungen mit Küche, einem Schlafzimmer, einer Kammer, einem Vorplatz, einer Speise und einem WC.
Das Wohnbauprojekt "Am Stöttenfeld" war der erste Schritt Rosenheim zur Linderung der Wohnungsnot. Es folgten weitere Wohnungsbauten, so daß bis 1955 Rosenheim die Bilanz von 1.500 neugebauten Wohnungen ziehen konnte.

Dennoch waren 1959 immer noch 2.472 Wohnungssuchende beim Städtischen Wohnungsamt gemeldet. Mit der Erschließung des alten Salinengeländes als neuem Stadtviertel und weiteren Projekten konnte die Situation erst in den 1960er Jahren verbessert werden. Immerhin war Rosenheim aber eine der ersten, bayerischen Städte, die nach dem Krieg den Wohnungsbau planmäßig betrieben.