Entnazifizierung und Spruchkammerverfahren

Die Entnazifizierung war eines der Hauptanliegen der Amerikaner. Ziel dabei war es, die Entnazifizierung baldmöglichst in deutsche Hände zu legen. Bis die Deutschen selbst dazu in der Lage waren, übernahm die Militärregierung diese Aufgabe.

Zunächst wurde die Verwaltung von nationalsozialistischen Beamten und Angestellten "gesäubert". In Rosenheim startete Bürgermeister Hubert Weinberger diese Aktion im August 1945. Von den 131 städtischen Beamten und den 194 Angestellten wurden bis Oktober 1945 64 Beamte und 48 Angestellte entlassen. Hilfskräfte sollten den verkleinerten Personalstand bei den wachsenden Aufgaben entlasten, was aber nicht gelang.
Bis 1949 wurden viele Beamte und Angestellte wieder eingestellt, sodass zusammen mit Neueinstellungen der alte Personalstand wieder erreicht war. Die Entnazifizierung der Bevölkerung sollte über Fragebögen erfolgen, die nach dem "Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus" vom 5. März 1946 die Verantwortlichen in fünf Gruppen einteilten: Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete. Zunächst sollte eine "Special Branch" von vier deutschen Zivilisten unter der Leitung von US-Offizieren diese Fragebögen auswerten.

Im Dezember 1945 informierte der Staatsminister für Sonderaufgaben den Rosenheimer Oberbürgermeister, dass er mit der Besetzung einer Spruchkammer beginnen müsse. Die Spruchkammer musste mit einem Vorsitzenden und mindestens vier, wenn möglich sechs Beisitzern besetzt sein.
In Rosenheim gestaltete sich diese Besetzung schwierig, da kein Ankläger zu finden war. Auch einige Beisitzer traten wieder von ihrem Amt zurück, unter anderem weil sie wirtschaftliche Nachteile für sich durch diese Tätigkeit befürchteten. Bis 15. Juni 1946 war zumindest ein Geschäftszimmer im Amtsgericht eingerichtet.
Aber erst Mitte Januar 1947 konnte die Spruchkammer ihre Arbeit in Rosenheim aufnehmen. Vorsitzender war Dr. Karl Zucker aus Cham, wobei die meisten Verhandlungen Diplomingenieur Emil Veicht aus Raubling führte. Anklagevertreter waren Justizinspektor Walter und Otto von Salchow, Wirtschaftsberater aus Berchtesgaden. Zunächst wurden die einfacheren, schriftlichen Verfahren behandelt.

Die erste mündliche Verhandlung fand im Juni 1947 gegen den ehemaligen Oberbürgermeister Johann Gmelch statt. Schon hier zeigte sich die milde Haltung der Spruchkammer, die mit zeitlichem Abstand zum NS-Regime und besonders im Hinblick auf die Gemeindewahlen im Mai 1948 nicht die von der Militärregierung gewünschte Strenge an den Tag legte. Auch die häufigen Ermahnungen der Militärregierung fruchteten nicht. So ging der als Hauptschuldige angeklagte Johann Gmelch aus dem Rosenheimer Spruchkammerverfahren als Mitläufer hervor. Die Berufung des öffentlichen Klägers brachte am 12. Juli 1949 die Einstufung als Belasteter. 1950 fällte die Berufungskammer München dann das endgültige Urteil wiederum als Mitläufer.

Ähnlich erging es den meisten Nationalsozialisten, wie dem Oberbürgermeister von 1934 bis 1938 Georg Zahler, der als Minderbelasteter aus der Verhandlung hervorging. Der erste Rosenheimer SA-Führer Josef Maier wurde als Hauptschuldiger angeklagt, als Minderbelasteter eingestuft und ging schließlich ohne Nachverhandlung als Mitläufer aus dem Spruchkammerverfahren hervor.
Darüber hinaus gab es natürlich Verurteilungen vor dem Spruchkammergericht zu Arbeitslager und Geldstrafen. So wurden die Ortsgruppenleiter von Schloßberg und Kolbermoor, Michael Lang und Georg Frasch, zu Sonderarbeit beziehungsweise Arbeitslager verurteilt.
Auch der Rosenheimer HJ-Bannführer Theodor Bauer wurde als Hauptschuldiger zu acht Jahren Arbeitslager und Vermögensentzug verurteilt. Ähnlich erging es anderen, besonders fanatischen Mitgliedern der NSDAP wie dem Dentisten August Gill, der selbst als SA-Posten vor den jüdischen Geschäften, besonders vor Fichtmanns Geschäft, stand beziehungsweise andere Posten aus eigener Tasche dafür entlohnte.
Auch der Hauptlehrer und spätere Rektor der Mädchenschule Max Kolb fand keine Entlastungszeugen, da er als fanatischer Nationalsozialist bekannt war und als Gauredner tätig gewesen war.
Insgesamt waren die Amerikaner aber mit der Arbeit der Spruchkammer nicht zufrieden. Die Prozesse wurden schleppend geführt, die Richter und Ankläger waren nach Einschätzung der Militärregierung nicht genügend qualifiziert, Zeugen zogen aus Angst vor Repressalien ihre Aussagen wieder zurück oder verweigerten diese sogar. Entsprechend verlor die Bevölkerung zunehmend das Interesse an den öffentlich gemachten Spruchkammerverfahren.

Die im Oktober 1947 und im März 1948 erlassenen Änderungen des Befreiungsgesetzes erlaubten schließlich die Anklage beziehungsweise die Überführung von Belasteten im Schnellverfahren in die Gruppe der Mitläufer. Damit war eigentlich eine Amnestie auch für Schwerbelastete eingeführt, die Militärregierung stellte die Überprüfung der Spruchkammerurteile ein.

Zeitzeuge