Wirtschaft und Gesellschaft in der Krise - Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit

Auch Rosenheim blieb von den Auswirkungen der Reichswirtschaftskrisen nicht verschont. Bereits die letzten Jahre des 1. Weltkriegs hatten akute Ernährungsengpässe mit sich gebracht, sodass im Mailkeller eine Volksküche eingerichtet wurde.

Dies änderte sich auch in den ersten Nachkriegsjahren nicht. Die sich überschlagende Inflation, die bis 1923 Sparguthaben und Schuldverschreibungen entwertete und ganze Bevölkerungsschichten verarmen ließ, während umgekehrt Schuldner und Geschäftemacher Nutznießer der Situation waren, führte zum Zusammenbruch des bisherigen Wirtschaftssystems.

Erst mit der Einführung der Rentenmark ab November 1923 begann die wirtschaftliche Erholung. Doch immer noch waren Teiler der Bevölkerung von Hunger und Not bedroht, wie die Errichtung einer Wärmestube am Salzstadel in einem ungenutzten Mälzereigebäude 1925 beweist.
Diese Wärmestube war täglich, außer an Sonn- und Feiertagen von 8 bis 18 Uhr geöffnet, aber nur für Rosenheimer Fürsorgeempfänger zugänglich. Täglich nahmen etwa 70 Menschen diese Einrichtung in Anspruch, um mittags mit einem Teller Suppe verpflegt zu werden.

Schon 1928 zeigten sich die ersten Anzeichen einer neuerlichen Wirtschaftskrise. Die Auswirkungen wie Firmenzusammenbrüche, Massenentlassungen und Arbeitslosigkeit, führten die Stadt Rosenheim an den Rand des Ruins, da die ständig steigende Zahl von langfristig Arbeitsloser, die von der städtischen Fürsorge lebten, die Stadtfinanzen sehr belastete.
Noch 1913 betrugen die sozialen Lasten auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet 4,22 Reichsmark. Bis 1927 stiegen sie auf 22, 45 Reichsmark pro Kopf. Die Zahl der überbelegten Wohnungen und der Familien ohne eigene Unterkunft stieg in der 1920er Jahren fast ständig an, der Wohnungsbau entsprach nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung. Einem Wohnungsdefizit von 428 Wohnungen im Jahr 1920 stand 1927 bereits ein Defizit von 479 Wohnungen gegenüber, obwohl in diesem Jahr 157 Neubauten erfolgten, im Gegensatz zu 1920 nur 54.
Im Vergleich zu anderen Städten war der Mangel an Wohnraum in Rosenheim besonders groß. Hier kamen 1920 auf 100 Wohngelegenheiten 418 Einwohner. In Hof waren es 378, in Augsburg 398, in Nürnberg 402 und in Regensburg 405. Eine leichte Entspannung auf dem Rosenheimer Wohnungsmarkt zeichnete sich erst 1925 infolge erhöhter Bautätigkeit und weiteren Rückganges der Eheschließungen ab. Die Reichswohnungszählung vom 2. März 1927 registrierte in Rosenheim immer noch einen Fehlbedarf von 479 Wohnungen, wovon der Notbedarf etwa 200 betrug. In dieser Statistik wurden jedoch auch minderwertige Behausungen und Barackenunterkünfte mitgezählt.

Zeitzeuge