Franz Xaver Simson als Mitglied der Photographenzwangsinnung

Mit Zwangsinnungen versuchte sich das vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in einer Krise steckende Handwerk gegen Konkurrenz und unlauteren Wettbewerb abzusichern und durch den Zusammenschluß in einen größeren Verband die eigene Position zu festigen. So gründeten sich in Rosenheim beispielsweise in den Jahren 1900 bis 1924 Zwangsinnungen für Bäcker, Spengler, Hafner, Wagner, Sattler, Schneider, Schuhmacher und viele andere 1).

Ähnlich reagierten auch die gewerbetreibenden Photographen. In ganz Deutschland kam es ab 1910 in größerem Umfang zu Gründungen von Photographenzwangsinnungen, nachdem mit der novellierten Gewerbeordnung 2) die notwenige gesetzliche Grundlage geschaffen worden war.

So konstituierte sich - wie auch in anderen Städten Bayerns - in Rosenheim eine eigene Photographenzwangsinnung, die Geschäftsgebahren und Konkurrenz zu kontrollieren hatte. In größeren Städten mit entsprechend viel Gewerbetreibenden eines bestimmten Bereichs umfaßten die Zwangsinnungen lediglich das Stadtgebiet.

Anders verhielt es sich mit der Rosenheimer Zwangsinnung, die weit über den lokalen Bereich hinausging. Mit einer Regierungsentschließung vom 25. September 1914 wurde die Zwangsinnung für das Photographengewerbe in Stadt- und Amtsbezirk Rosenheim und Traunstein, sowie in den Amtsbezirken Aibling, Miesbach Tölz und Berchtesgaden ins Leben gerufen. Die große Abgrenzung war durch die geringe Zahl der Photographen in diesem Bereich möglich. Bei einer im Juli 1914 durchgeführten statistischen Erhebung zur Gründung der Zwangsinnung waren in dem ganzen Bereich insgesamt nur 54 Photographen zu erfassen. Vergleichsweise dazu hatte allein die Stadt Nürnberg um die Jahrhundertwende bereits 47 Photoateliers aufzuweisen 3).

Ursprünglich sollte die Photographenzwangsinnung zum 15. Dezember 1914 inkraft treten, doch blieb dieses Datum wegen des Ersten Weltkriegs ohne Bedeutung, da kurze Zeit später schon viele Innungsmitglieder im Feld standen.

So konnte sich die Photographenzwangsinnung Rosenheim erst im März 1919 konstituieren. Die Photographenzwangsinnung Rosenheim stellte sich in ihrem Statut unter anderem die Aufgabe zur "Stärkung der Standesehre unter den Innungsmitgliedern ... Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gehilfen ... Regelung des Lehrlingswesens" 4).

Mitglied der Innung war automatisch jeder selbständige Berufsphotograph ohne Rücksicht darauf, ob er Lehrlinge und Gehilfen beschäftigte oder nicht. Die in photographischen Ateliers oder Großbetrieben Angestellten, aber auch ehemalige Photographen hatten die Möglichkeit, der Innung freiwillig beizutreten. Sie konnten auch jährlich aus der Innung austreten, was bei den "Zwangsmitgliedern" nur bei Aufgabe des Photographiebetriebs möglich war.

Die Innung kontrollierte das Geschäftsgebahren und setzte ortsübliche Preistarife fest. "Marktschreierische Reklame oder die öffentliche Ankündigung von nicht üblichen Gratisangeboten oder von Schleuderpreisen" waren den Innungsmitgliedern verboten. Streitigkeiten zwischen Mitgliedern wurden vom gewählten Innungsvorstand oder einem der Ausschüsse geschlichtet. Der Vorstand bildete sich aus dem Vorsitzenden = Obermeister und vier Mitgliedern, und wurde von der Innungsversammlung gewählt.

Bei der im Jahre 1914 durchgeführten Erhebung über die Photographen im geplanten Innungsbezirk waren von den 54 erfaßten 27 für die Errichtung einer Zwangsinnung, 13 dagegen, 14 enthielten sich der Stimme. Dieses Ergebnis zeigt, daß nicht alle im Photographiegewerbe Tätigen die Vorteile einer größeren Vereinigung mit Kontrollfunktion anerkannten. Vor allem kleinere Betriebe, Reisephotographen wie auch Erwerbstätige, die die Photographie nebenbei ausübten, waren gegen die Zwangsinnung. Sie waren auf intensive Werbemaßnahmen und Billigangebote, wie sie die Innung einschränkte, angewiesen. So wehrten sich im Bereich Rosenheim-Stadt die Inhaberin eines Schnellphotographiegeschäfts und ein Reisephotograph gegen die Einrichtung einer Zwangsinnung. Ähnlich sah es auch in den anderen Amtsbezirken aus: Ansichtskartenverleger und Photographen im Nebenerwerb stimmten gegen die Innung.

Größere Photogeschäfte hatten diese Sorgen nicht; von ihnen waren alle für die Errichtung der Zwangsinnung. Die etablierten Rosenheimer Ateliers waren bereits vor der Zwangsinnung dazu übergegangen, gemeinsame Werbeanzeigen in der Zeitung zu annoncieren. Schon 1910 empfehlen sich in einem gemeinsamen Inserat die Photographen Knarr, Preusser, Simson und Frank-Verra für Weihnachtsaufträge. Separate Anzeigen der einzelnen Photographen entfielen 5).

1919 konnten von den ursprünglich 54 erfaßten Photographen nur noch 19 der sich konstituierenden Innung beitreten. 16 dieser Gründungsmitglieder erschienen bereits in der 1914 verfaßten statistischen Erhebung. Franz Xaver Simson gehörte als selbständiger Berufsphotograph sowohl 1914 als auch bei der eigentlichen Gründung 1919 zu den Mitgliedern der Zwangsinnung, deren Gründung er befürwortet hatte. Bei der am 17. März 1919 stattfindenden Gründungsversammlung wurde er sogar in den Vorstand der Innung gewählt. Dabei zeigt sich die Rivalität zwischen Franz Xaver Simson und seinem Berufskollegen Wilhelm Knarr. Bei der Wahl zum Obermeister verlor Simson gegen Knarr diese Position des Vorsitzenden mit einem Ergebnis von 2 gegen 17 Stimmen. Fast alle Innungsmitglieder wollten also Knarr im Amt des Obermeisters sehen, was für Franz Xaver Simson eine deutliche Schlappe gewesen sein muß. Immerhin wurde er zusammen mit seinem Rosenheimer Kollegen Hermann Frank, dem Bad Aiblinger Photographen Hans Joos und dem Traunsteiner Anton Greiner in den Vorstand gewählt und erhielt auch einen Sitz im Ausschuß für Gehilfenprüfungen. Im Jahr 1926 ist Simson dann als Kassier der Zwangsinnung tätig. Obermeister blieb aber Wilhelm Knarr.

1926 macht ein Briefkopf deutlich, daß der Sprengel der Zwangsinnung sich wesentlich erweitert hatte. Zusätzlich zu dem ursprünglichen Gebiet kamen die Amtsbezirke Ebersberg, Wasserburg, Mühldorf, Altötting und Laufen hinzu. Der Innungssitz blieb allerdings weiterhin Rosenheim 6).

Wann die Zwangsinnung Rosenheim aufgelöst wurde, läßt sich aus den Akten nicht feststellen. Eine 1925 geplante oberbayerische Pflichtinnung kam nicht zustande, der Antrag wurde wegen Aussichtslosigkeit zurückgezogen.

Anmerkungen

1) StadtA Ro, Akten VI P 3
2) Ministerialbekanntmachung vom 19. März 1898, Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Inneren, 26. Jg., S. 181 ff.
3) Gebhardt, S. 92
4) StadtA Ro, Akten VI P 3, 50
5) Rosenheimer Anzeiger Nr.268 vom 24. 11.1910; Nr.271 vom 27.11.; Nr. 274 vom 01.12.; Nr. 285 vom 15.12.; Nr. 288 vom 18.12.;
6) StadtA Ro, Akten VI P 3, 50

Statistische Erhebung aller Photographen in den Stadt- und Amtbezirken Rosenheim und Traunstein sowie in den Amtsbezirken Aibling, Miesbach, Tölz und Berchtesgaden im Jahr 1914

Rosenheim-Stadt:
Eckstallet; Josef (Reisephotograph)
Frank, Hermann
Knart, Wilhelm (mit einem Lehrling)
Maurer, Maria
Preußer, Georg jun.
Preßberger, Marie (Amerikan. Photoinhaberin)
Riedl, Franz (mit zwei Lehrlingen)
Simson, Franz Xaver (mit einem Gehilfen, einem Lehrling)
Wiedemann, Moritz (übt Photographengewerbe nicht aus; als Buchhalter bei der Gemeindekrankenversicherung)

BezirksamtRosenheim:
Beckert, Hans (Oberaudorf)
Durner, Felix (Prien)
Hauch, Max (Prien)

Bezirksamt Miesbach:
Baader, Gottho/d (Bayrischzell)
Hugel, Fritz (Holzkirchen) (mit einem Gehilfen)
Sedlmair, Josef (Dürnbach/ Gde. Hundham)
Pöltl, Georg (Miesbach) (mit einem Gehilfen)
Jungkunz, Johann (Miesbach)
Ganghofer, Emil (Egern/Gde. Rottach) Geschäft verpachtet an den Augsburger Johann Hasleß
Roth, Hermann (Schliersee)
Reitmayer, Maria, KB. Hofphotographenswitwe (Tegernsee) (mit einem Geschäftsführer, im
Sommer mit einem Gehilfen)
Hofmann, Wilhelm (Tegernsee)
Landes, Ludwig (Tegernsee) Ansichtskartenverleger
Kroßinger, Max (Oberwarngau)

Bezirksamt Tölz:
Gebr. Frey, KB. und Luxemb. Hofphotographen, (Bad Tölz)
Marey, Alois (Bad Tölz) (mit einem Gehilfen)
Schöffmann, Benedikt (Benediktbeuern)
Oswald, Sebastian, Seilermeister und Photograph, (Lenggries)

Traunstein-Stadt:
Grainer, Anton (mit einem Gehilfen, einem Lehrling)
Miehler, Anton (mit einer Gehilfin)
Pfaller, Karl
Werkmeister, Josef (mit einem Gehilfen)

Bezirksamt Traunstein:
Weidinger, Josef (Grassau) (mit einem Lehrling)
Heigenhauser, Hans (Reit im Wink/)
Daxenberger, Josef (Marquartstein/ Gde.Unterwössen)
Huber, Johann (Wimpersing/Gde. Haslach)
Steffgen, Viktoria (Wegscheid) (mit Schwager als Gehilfen)
Brunner, Leonhard, Friseur und Photograph, (Inzell)
Strobl, Ludwig (Obing)
Stallechner, Karl (Trostberg) (mit zwei Gehilfen)
Käser, Josef (Trostberg) (mit zwei Gehilfen)
Schönlinner, Johann, Photograph und Gütler, (Harpfing/ Gde.Kirchstätt)
Hinterwimmer, Josef, Photograph und Gütlerssohn, (Hütting/ Gde. Tacherting)
Schwaiger, Johann (Raiten/ Gde.Schleching)

Bezirksamt Berchtesgaden:
Fritz, Heinrich (ReichenhaIl) (mit drei Gehilfen im Sommet; im Winter ein Gehilfe)
Grainer, Arthur (Reichenhall) (mit zwei Gehilfen im Sommer, im Winter ein Gehilfe)
Schmidt, Peter (Reichenhall)
Alt, Alois (Berchtesgaden)
Grainer, Gustav (Berchtesgaden) (mit einem Gehilfen, einem Lehrling)
Hierzegger, Adolf (Berchtesgaden) (mit einem Gehilfen)
Wernhard, Otto (Berchtesgaden) (mit einem Gehilfen)
Gutjahr, Hermann (Ramsau) (mit einem Gehilfen)
Ney, Julie (Witwe) (Salzberg) (mit einem Gehilfen, einem Geschäftsführer)
Nikoler, Gottfried (Almbachklamm/ Gde. Scheffau) (nur Sommerbetrieb)
Eder, Thomas (Marktschellenberg)

Bezirksamt Aibling:
Joos, Hans (Bad Aibling) (mit einem Gehilfen)
Nicolal; Friedrich (Bad Aibling) (mit einem Lehrling)
Regner, Rudolf (Au/ b. Aibling)
Seitz, Franz Xaver (Kolbermoor)