Das Atelier

Standortwahl

Die Niederlassung eines Photographen war in der Regel davon abhängig, ob es sowohl in der Stadt, als auch in der Umgebung eine zahlreiche und bemittelte Einwohnerschaft gab, die durch Nachfrage  ein florierendes Geschäft möglich machte.

Ebenso wichtig war natürlich auch die Lage des Geschäfts in der Stadt. Geeignet galten Räumlichkeiten zu ebener Erde in guter Geschäftslage, wobei straßenseitig gelegene Ateliers nicht nur sehr teuer waren, sondern auch keine gute Beleuchtung boten.

Da es in der Frühzeit der Photographie keine oder noch sehr wenig Möglichkeit zu künstlicher Beleuchtung gab, wurden Photographische Ateliers grundsätzlich als "Glashäuser" mit bevorzugt nach Norden gerichteten Glasdächern erbaut, um ein gleichmäßiges Licht im Atelier zu erreichen. Freistehende Ateliers in den Stadtkernen kamen bei der für die Mitte des letzten Jahrhunderts typischen baulichen Enge in den Städten meist nicht in Frage, da in der Regel kein geeignetes Platzangebot vorhanden war. Verglaste Geschäftsräume in einem Innenhof empfahlen sich nur dort, wo keine zu hohen Nachbarhäuser dem Sonnenlicht den Zugang verwehrten. Die am meisten praktizierte Lösung war die Anlage des Ateliers im Dachgeschoß eines bereits bestehenden Gebäudes, so daß sich der Photograph eine zentrale Geschäftslage in der Stadt aussuchen konnte. Allerdings mußte bei Dachgeschoßateliers die schwerere Zugänglichkeit mit dem für die Kundschaft mißlichen Treppensteigen in Kauf genommen werden. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach 1870/71 "boomte" die Neubautätigkeit in den größeren Städten; die alte Struktur der Stadtkerne wurde zunehmend aufgelöst und erweitert, das gehobene Bürgertum etablierte sich an der Peripherie.

Typisch für diese Periode ist in Rosenheim der Bau des Gillitzerblocks zwischen 1894-1897. Mit diesem Gebäudekomplex wurde durch die Bauweise, die Größe und die Außenarchitektur in Rosenheim ein ganz neuer städtebaulicher Akzent gesetzt. Fünfzehn Wohn- und Geschäftshäuser, darunter ein Hotel, fanden im Gillitzeranwesen Platz. Die typische Architektur der Gründerzeit vermittelte den Eindruck von Vornehmheit, Gediegenheit und wohlhabendem Bürgertum. Es entstand ein Häuserblock, der in jeder damaligen Großstadt hätte stehen können.

Franz Xaver Simson etablierte sein Geschäft im neuen Gillitzerblock, wobei bereits während der Bauphase die Errichtung eines Photoateliers von Gillitzer mit eingeplant war. Bereits im Februar 1895 wurde das Atelier mit seiner Lage im geräumigen Innenhof geplant. Ob zu dieser Zeit schon feststand, daß Franz Xaver Simson diese Geschäftsräume belegen würde, ob er selbst der Auftraggeber war oder ob der Bauherr, Thomas Gillitzer, auf jeden Fall hier die Anlage eines Photoateliers geplant hatte, läßt sich in den Archivunterlagen nicht feststellen. Ebenso existiert leider kein Photo von der Außenansicht des Ateliers. Lediglich die Grundriß- und Aufrißpläne aus dem Bauakt 1) geben eine Vorstellung vom Aussehen des Simson'schen Geschäfts.

Im Innenhof des Komplexes war das Atelier durch einen Zugang von der Münchenerstraße aus erreichbar. Die Atelierpläne zeigen ein eingeschoßiges Gebäude, wobei das Atelier selbst im ersten Stock untergebracht war. Nach Norden war eine große Glasfront ausgerichtet, um optimale Lichtverhältnisse im Atelier zu gewährleisten. Dabei handelte es sich neben einem abgeschrägten Glasdach, wie es vielfach üblich war, auch um eine senkrechte Glasfront. Ein Problem war sicherlich die Isolierung, da sich die Räume durch die große Glasfront rasch aufheizten bzw. bei Kälte trotz Heizung nicht immer angenehme Temperaturen erzielt werden konnten.

Die Geschäftslage in einem Innenhof mag auf den ersten Blick nicht unbedingt vorteilhaft erscheinen; Schaufenster zur Straßenfront beispielsweise waren nicht möglich. Ausgeglichen wurden solche Nachteile durch einen für Atelierzwecke günstigen Bau, wo das Studio für die Kundschaft anders als bei Dachgeschoßateliers - häufig ohne Aufzug - bequem im ersten Stock zu erreichen war. In einer kleineren Stadt wie Rosenheim war nach der anfänglichen Geschäftsetablierungsphase ein Atelier über die üblichen Werbemaßnahmen ausreichend für die potentielle Kundschaft ausgewiesen. Eine Straßengeschäftslage war dann meist nicht mehr nötig, da sich bereits eine Stammkundschaft, der die Lage des Ateliers sowieso bekannt war, gebildet hatte.

Atelierräumlichkeiten

Das "Glashaus" war seit Beginn der Photographie in fest ansässigen Ateliers ohne Alternative. Im Laufe der Zeit änderte sich lediglich Größe und komfortablere Ausstattung der Räumlichkeiten.

Ein Photograph, der auch größere Gruppenportraits aufnehmen wollte, benötigte ein entsprechend breites und - wegen der notwendigen größeren Distanz zwischen Kamera und Gruppe - langes Atelier. Für anspruchsvollere, bessergestellte Kundschaft mußte auf jeden Fall ein bequemer Warteraum bereitstehen. Ein Photographenhandwerksbuch von 1898 empfahl sogar: "Wo die Anordnung es irgendwie gestattet, sollte man mindestens zwei Empfangsräume anlegen, möglichst so, daß man aus jedem derselben, ohne den anderen zu durchschreiten, ins Glashaus gelangen kann. Es ist für Damen, die sich in einem Maskenkostüm photographieren lassen, oft wenig angenehm, wenn sie anderes Publikum passieren müssen (...)." 2).

Auch Franz Xaver Simson scheint ein eigenes Umkleidezimmer gehabt zu haben. Die Grundrißpläne zeigen folgende Raumanordnung: vom Treppenaufgang gelangte man sofort in ein Wartezimmer, das mit einer Größe von etwa 15 qm sicherlich eine genügend komfortable Ausstattung aufweisen konnte. Ein kleines Zimmer daneben wird als Umkleideraum gedient haben.

Das dahinterliegende Atelier war ca. 45 qm groß und bot mit einer Länge von neun Metern genügend Raum für Gruppenportraits, die Simson häufig aufnahm. Unmittelbar an das Atelier schlossen sich die Dunkelkammer und die Arbeitsräume an. Diese Raumaufteilung nahm Rücksicht auf die Funktionalität der Arbeitsabläufe und war so meist nur in einem neukonzipierten Ateliergebäude möglich.

Inneneinrichtung und Requisiten

Über die Inneneinrichtung des Warteraums wie auch der Arbeits- und Werkstatträume  lassen sich für das Simson'sche Geschäft nur Vermutungen anstellen. lnnenaufnahmen, die Aufschluß über Einrichtungsgegenstände geben könnten, existieren nicht.

Üblich für die Warteräume der Gründerzeitphotoateliers waren mehrere Sofagruppierungen, Ablagetische, Spiegel und üppige Pflanzenarrangements, wie es das Bild eines florentinischen Ateliers aus den 1880er Jahren gut zeigt 3).

In diesem typischen, etwas überladen wirkenden Stil der Gründerjahre wird sich auch der Warteraum im Simson'sche Atelier dem Kunden präsentiert haben.

Die Werkstatträume boten in einem abgewinkelten Teil des Stockwerks mit einer Größe von etwa 18 qm den notwendigen Platz zum Retouchieren, Kopieren, Tönen, Fixieren, Wässern, Trocknen und Kaschieren. Wichtig waren jedenfalls zwei Aspekte, nämlich ein ausreichendes Belüftungssystem wegen der beim Entwickeln der Bilder entstehenden Dämpfe und eine ausreichende Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Auf beide Notwenigkeiten, Belüftung und Wasser, konnte Simson in seinen Werkstatträumen zurückgreifen. Der Grundrißplan zeigt im Arbeitsbereich (außer natürlich der Dunkelkammer) drei Fenster zum Innenhof; eine ständige Wasserversorgung, wie sie in den damaligen Häusern meist nicht vorhanden war, hatte Thomas Gillitzer in seinem Gebäudekomplex überall installieren lassen. So heißt es unter anderem in einem Bericht im Rosenheimer Anzeiger von 1894: "Nicht vergessen wollen wir auch die schönen Speicherräume (...), in welchen (...) auch die (...) zur Spülung der Closets nötigen Wasserreserven untergebracht sind, deren Wasservorrath durch maschinellen Betrieb auf immer gleichem Nieveau erhalten wird" 4).

Mit Sicherheit hatte deshalb auch das neue Photoatelier eine fließende Wasserversorgung; ein eigener Toilettenraum, der vor Baugenehmigung vom Stadtmagistrat eigens verlangt wurde, war ebenfalls vorhanden. Der wichtigste Bereich aber war das Studio selbst, das sich in der Frühzeit der Photographie in seinen wesentlichen Bestandteilen bei jedem Photographen ähnelte. Die wichtigste Frage blieb zunächst immer das für eine Aufnahme benötigte Licht. Obwohl in den Großstädten bereits in den 1880er Jahren elektrisches Licht vorhanden war, war dies bei einer kleineren Stadt wie Rosenheim nicht der Fall. Der Pressebericht über eine Teilfertigstellung der Gillitzerhäuser 1894 erwähnt, daß die Neubauten "zum einstigen Anschluß an das künftige Elektrizitätswerk vorbereitet sind" 5). So mußte man sich zunächst eben mit den großen Glasfenstern und Tageslicht behelfen, das mit Hilfe von gerafften Rollgardinen je nach Bedarf zugeführt werden konnte. Auch nach Einführung des elektrischen Lichts dauerte es noch fast ein halbes  Jahrhundert, bevor das Tageslicht durch Scheinwerfer ersetzt werden konnte. Blitzlicht wurde durch Pulvermischungen in der Blitzlichtpfanne erzeugt.

Ein sehr wichtiges Requisit für die Portraitphotographie im Atelier war der Bildhintergrund. Bereits in den1880er Jahren konnte der Photograph derlei Hintergrundstücke mit unterschiedlichen Motiven, wie Parkszenen, Alpenraumlandschaften oder Innenarchitektur per Katalog im photographischen Zubehörhandel bestellen.

Außerdem wurden für viele Stand- oder Brustportraits oft auch nur einfarbig getönte Stellwände oder Vorhänge verwendet, so daß die abgebildeten Personen plastisch hervortraten.

Passend zum Hintergrund war immer der entsprechende Fußboden gestaltet, der vom Bretterboden in der Trachtenstube über den kostbaren Teppich in einem gutbürgerlichen Wohnbereich bis zum nachgemachten Naturboden reichte.

Den Übergang zwischen Hintergrundkulisse und Teppichboden stellte der Photograph durch Versatzstücke her, die den Eindruck von Tiefe und Plastik vermittelten. Diese Säulen, Mauerreste oder Felsen bestanden aus bemaltem Papier oder Pappe, manchmal auch aus Holz. Ein weiteres Verbindungsteil waren geschnitzte Möbel wie zierliche Tischchen und Kommödchen, an die häufig ein breiter mit Armlehnen versehener Fauteuil herangerückt wurde.

Wichtig für die frühe Portraitphotographie, als das Belichten noch mehrere Sekunden dauerte, und damit der Portraitierte in dieser Zeit absolut still halten mußte, war der Aufnahmestuhl bzw. ein Aufnahmegestell für Standportraits mit verstellbaren Rücken- und Kopfhaltern. Das Interieur des Simson'schen Ateliers hat sich leider nicht erhalten, aber auf den Negativplatten läßt sich manchmal ein derartiges Stützgestell - natürlich meist von den abgebildeten Personen verdeckt - ansatzweise erkennen. Auch Franz Xaver Simson hat in den Anfängen seiner Portraitphotographie solches Stützmobiliar verwendet.

Über die von Simson gebrauchten Hintergrundkulissen, das Mobiliar im Photostudio und die zusätzlichen Requisiten lassen sich durch die Negativplatten sehr gute Aussagen treffen. Im folgenden soll aufgeschlüsselt werden, wie sich die Studioeinrichtung des Ateliers zusammengesetzt hat.

Hintergrundkulissen

Franz Xaver Simson verwendete neben normalen Kleinkulissen von etwa 2,50 Meter auch Großkulissen, die wahrscheinlich über fast die ganze Studiobreite (von neun Metern) gereicht haben. Diese Großkulissen waren vor allem für Gruppenportraits notwendig, bei denen der Photograph einen breiten Hintergrund benötigte.

Die Hintergrundstücke bestanden teilweise aus bemalten Leinwandrollen, teilweise aus Holzkulissen, die dann auch in einem eventuell benötigten Winkel zur Leinwand aufgestellt werden konnten.

An Hintergrundmöglichkeiten standen Simsons Kunden unterschiedliche Motive zur Auswahl.

Eine Leinwandgroßkulisse bestand in der Mitte aus einer Hauswand mit neugotischem Fenster und Dacherker sowie rankendem Laubwerk (man nannte diese Ausführungsart "alt-deutsch"), nach der linken Seite anschließendem Garten, nach der rechten Seite mit einer Waldlandschaft.

Dazu konnte bei Bedarf eine Holzkulisse kombiniert werden, die eine Hauswand mit aufklappbarem Fenster enthielt.

Als weitere Großkulisse auf Leinwand, diesmal als Innenarchitektur, gab es einen gutbürgerlichen Wohnhintergrund, der von einer gemalten Blumenbordüre über einen mit Vase und Zierteller dekorierten Tisch, einem anschließenden Rokokko-Dekor, das seitlich mit Palmen verziert war, bis zu einem einfarbigen Seitenabschluß führte, den Simson vor allem bei Brustportraits verwendete.

Neben verschiedenen Vorhängen - einfarbig oder mit Bordüre - konnte sich der Kunde auch vor einem Tapetenmotiv photographieren lassen. Dieser Hintergrund war ebenfalls in einer größeren Ausführung, wenn auch nicht als Großkulisse, vorhanden. Zwischen zwei Tapetenteilen war eine Tür mit einem Butzenscheibenfenster eingefügt, über deren Türstock auf einem Sims verschiedene Zierteller standen.

Mit Vorhängen teilte Franz Xaver Simson die Großkulissen jeweils soweit ab, wie er bzw. der Kunde es als Hintergrund wünschte. Beliebt waren dabei vor allem die  sog. "Durchblicke", d.h. zwei Vorhänge vor denen der Kunde posierte, gewährten einen Durchblick auf eine dahinterliegende Landschaft oder Innenarchitektur.

Für die sehr gefragten Trachtenaufnahmen - in diesem Fall kleidete sich der Kunde für das Photoportrait eigens in sein bestes "G'wand" - standen zwei unterschiedliche Hintergrundmotive zur Auswahl. Dabei handelte es sich zum einen um eine größere Kulisse, auf der eine Bauernstube mit Kachelofen, Eckbank und Butzenscheibenfenster abgebildet war. Um einen möglichst hohen "Echtheitsgrad" zu erzielen, durften Details wie eine Küchenuhr, der "Herrgottswinkel" und auf dem gemalten Fensterbrett der Blumenstock samt angefangenem Strickzeug nicht fehlen.

Als weiteren möglichen Leinwandhintergrund gab es bei Trachtenstudien eine Alpenlandschaft - stilecht mit Almhütte.

Dem Geschmack seiner Kunden entgegenkommend bot Simson für die Aufnahmen immer eine Innenarchitektur- oder Außenkulisse als Hintergrund an. Ausschlaggebend war ja auch die Kleidung, in der der Kunde zum Photographieren kam. Bei "normal" modischer Kleidung verwendete Simson als Kulisse entweder die gutbürgerliche Wohnstube mit Rokokko-Dekor und dem prachtvollen Tisch mit Ziergegenständen, um einen gediegenen, dem - meist gutsituierten - Kunden angemessenen Hintergrund abzubilden. Oder aber der Kunde wollte lieber "im Freien" aufgenommen werden. Dann konnte er sich zwischen dem romantischen Gärtchen vor der Hauswand und einer stimmungsvollen Waldlandschaft entscheiden.

Kam der Kunde im Trachteng'wand, stand für die "Innenaufnahme" die Bauernstube, für das "Außenportrait" die Bergwelt zur Verfügung.

Natürlich gab es auch Kunden, die sich vor unpassendem Hintergrund portraitieren lassen wollten, zum Beispiel im Dirndl vor der romantischen Hauskulisse mit gotischem Fenster. Doch war auf jeden Fall der Wunsch des Kunden ausschlaggebend, und Simson erledigte auch solche stilwidrigen Arrangements.

Ab etwa 1907 scheinen vor allem für die gutbürgerlichen Portraits in "normaler" Kleidung die szenischen Hintergrundkulissen nicht mehr gern genommen worden zu sein. Zunehmend verwendete Simson nun den einfarbigen Hintergrund, wie auch eine fiedrig gemalte Wolkenkulisse ohne reale Szene. Auch der bloße Vorhang als Hintergrund galt nun als für das Portrait genügend und zurückhaltend geschmackvoll.

Als zusätzliche Kulisse hatte Simson noch ein besonderes "Bonbon" zu bieten: auf gemalten Wellen schaukelte ein Boot "Möve" vor allem Kinder in schmucker Matrosenkleidung. Hinter der Pappmachewand des Bootsrandes saßen die Portraitierten, so daß der Eindruck einer realen Bootsfahrt erreicht wurde. Dabei kombinierte Simson diese Bootsstaffage mit der Waldkulisse, um den nötigen Hintergrundabschluß zu erzielen.

Studiomöbel

Natürlich war es mit den Kulissen allein nicht getan; um einen gelungenen Übergang vom zweidimensionalen Hintergrund zur Person zu erreichen und damit Raumtiefe und Plastik vorzutäuschen, kamen zusätzlich verschiedene Möbel, Versatzstücke und Requisiten zum Einsatz.

Simson konnte hier aus einem reichhaltigen Sortiment das passende Zubehör auswählen. Verschiedene Stühle, darunter ein höhenverstellbarer Klappstuhl und ein Seitenstuhl, der bei Kinderportraits sehr geeignet war, standen zur Verfügung. Ähnlich reichhaltig war auch der Bestand an Tischen und Tischchen, der, ebenso wie die Stühle, dem wechselnden Zeitgeschmack entsprechend von Simson immer wieder neu bestückt wurde.

Für Kinderportraits gab es natürlich auch spezielles Kleinmobiliar; für "Außenaufnahmen" vor dem entsprechenden Hintergrund konnte zwischen einer gedrechselten Parkbank, die rückseitig in einen Brunnen verwandelt werden konnte, oder modischen Gartenmöbeln ausgewählt werden. Das Mobiliar der Bauernstube war passend zum Hintergrund rustikal gestaltet mit Holztisch und "Herzlstuhl".

Versatzstücke

Zahlreiche Versatzstücke boten die Möglichkeit, einen möglichst realen Rahmen für das Photoportrait zu schaffen. Reich verzierte Uhren, gefällige Palmenarrangements, gemusterte Decken für die diversen Tischchen, auf denen wie zufällig einige Zeitungsjournale lagen, in denen der Kunde blättern konnte, sollten den Eindruck einer gutbürgerlichen Wohnstube vermitteln.

Bei den rustikalen Aufnahmen in der "Bauernstube" oder vor der Almlandschaft waren mit Moos, Rinden und Baumwurzeln beklebte Felsen, Holzgatter und Zäune wichtige Requisiten. Zusätzlich konnte das fesche Dirndl oder der schmucke Trachtler einen Wanderstab oder sogar einen Stutzen in die Hand nehmen. Beliebt waren hier  auch Aufnahmen mit Musikinstrumenten wie Zither oder  Klarinette. Selbstverständlich akzeptierte Simson auch mitgebrachtes Zubehör, wie etwa den vom Jäger selbst erlegten Gamsbock 6).

Außerdem konnte das Simson'sche Atelier auch Sonderwünsche der Kunden für ausgefallenere Requisiten befriedigen. Ganz aktuell war um die Jahrhundertwende das Portrait mit Fahrrad. Sowohl für die Dame, als auch den Herrn stand das geeignete Rad zur Verfügung.

Für Winterbilder behalf man sich mit einem Schlitten; um die Aufnahme echt wirken zu lassen, retouchierte Simson nachträglich Schnee und Schneeflocken in das Bild.

Kinderaufnahmen

Schwierig für den Photographen waren immer Portraitaufnahmen von Kindern, da sich diese selten lang genug ruhig hielten, was bei der damaligen Photographiertechnik ein ganz wesentlicher Aspekt war. Mit Spielzeug wurden die Kleinen meist recht gut abgelenkt; Franz Xaver Simson hatte hier neben Spielreifen, Schaukelpferd und Nußknacker auch ein beliebtes Spielzeughaus zu bieten.

Portraitaufnahmen von Babys und Kleinkindern waren natürlich besonders problematisch, da sich diese - wenn sie allein photographiert werden sollten - in ungewohnter Umgebung ohne Kontakt zu den Eltern selten ruhig verhielten. Deshalb nahm Franz Xaver Simson Kleinkinde rvor einem Vorhang auf, hinter dem ein Elternteil stand und, verborgen durch den Vorhang, das Kind in der gewünschten Position festhielt. Eine Photoplatte zeigt sogar deutlich, daß ein Elternteil immer in enger Nähe zum Kind stand: am linken äußeren Rand ist deutlich ein zwischen den Vorhängen hervorschauender Kopf, wahrscheinlich der Vater, zu erkennen 7).

Die sehr gute Ausrüstung des Simson'schen Ateliers, was Hintergrundkulissen, Möbel und Versatzstücke betrifft, lag daran, daß Simson in erster Linie auf Personenphotographie spezialisiert war. Hier lag hauptsächlich sein Betätigungsfeld und deshalb war er, um möglichst alle Kundenwünsche befriedigen zu können, in punkto "Zubehör" ausnehmend gut ausgestattet.

Kamera und Aufnahmeausrüstung

Franz Xaver Simsons Aufnahmeausrüstung und seine Kamera haben sich nicht erhalten. Doch handelte es sich, wie ein Photo zeigt, dabei um die übliche Studiokamera, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts von fast allen Berufsphotographen verwendet wurde, Bestehend aus einem Holzkasten auf einem Stativ bewegte sich im äußeren Kasten ein flexibler Lederbalg. Mit diesem Auszug wurde das Objektiv zum Einstellen vor- oder rückbewegt. Ein Kameraverschluß wurde beim Belichten je nach Belichtungszeit vom Objektiv genommen. Der Photograph stellte das Bild auf einer Mattscheibe scharf ein, die er für die Aufnahme entfernte und durch eine Negativplatte ersetzte, Platten gab es in verschiedenen Formaten, wobei Simson bis 1918 vor allem die Formate 13 x 18 und 9 x 12 einsetzte. Wie die technischen Errungenschaften in der Photographie zunahmen, verbesserten sich auch die Aufnahmegeräte, wurden kleiner, leichter und komfortabler zu bedienen. Franz Xaver Simson verwendete allerdings beharrlich Negativplatten und keine Rollfilme, die ab den 1890er Jahren vertrieben wurden. Da er aber fast ausschließlich Studioaufnahmen machte, hat er wohl seine Kamera-Ausrüstung sehr lange behalten.

Anmerkungen

1) Bauakt Münchenerstraße 6 + 8
2) Stolze, Franz: Handwerksbuch für Photographen: Halle 1898.
3) Aus: Duval, Jean-Luc: Die Photographie. Geschichte einer Kunst At Verlag: Stuttgart 1983
4) s. Freundl, Stefan: Thomas Gillitzer Leben und Werk-Geschichte eines Häuserblocks. Weißblaue Reihe. Bd. 8, S. 49 f.
5) Ebd.
6) Stadtarchiv, Nachlaß Simson, Nr. 12887
7) Stadtarchiv, Nachlaß Simson, Nr. 12298